Zum 5. Juli 1986

„Im Frühjahr 1940 machte Lothar Kreyssig eine üble Entdeckung: Behinderte, für die er als Vormundschaftsrichter am Amtsgericht in der Stadt Brandenburg an der Havel verantwortlich war, verschwanden aus den betreuenden Anstalten. Für einige Behinderte erhielt er Todesurkunden. Kreyssig hatte einen Verdacht, und er zögere nicht lange. Er schrieb an den Reichsjustizminister und teilte ihm die Vermutung mit, dass Behindere ermordet würden. Kreyssig wurde einbestellt und erfuhr: Adolf Hitler selbst habe diese ‚Euthanasie’-Aktion angeordnet, die Reichskanzlei leite sie. Der Richter zeigte den Kanzleichef und Reichsleiter Philipp Bouhler wegen Mordes an. Außerdem verbot er den Leitern der Einrichtungen, seine Mündel ohne seine ausdrückliche Erlaubnis zu ‚verlegen’. Sein Verhalten, das eigentlich geltendem Recht entsprach, erregte in Justiz und Politik Aufmerksamkeit. Am 13. November 1940 war Kreyssig wieder im Justizministerium. Der Minister legte ihm das Schreiben Hitlers mit der Anordnung der Euthanasie vor. Auch dessen Worte konnten den unbotmäßigen Richter nicht beeindrucken: ‚Ein Führerbefehl schafft kein Recht’, erklärte er. Ein Satz, der weite Kreise zog – wie auch die Erwiderung des Ministers: Dann könne Kreyssig kein Richter mehr sein. 16 Monate später ging er in den Ruhestand. Sein Widerstand gegen Hitlers ‚Euthanasie’-Anordnung war einzigartig in der deutschen Justiz.“ (Aus: Eduard Kopp, Widerstand mit Folgen, Chrismon 5/2008, S. 46)

Am 30. April 1958 gründete Lothar Kreyssig die „Aktion Sühnezeichen“.

Mit einem Aufruf am 14. September 1957 initiierte der damaliger Präses der evangelischen Synode die „Aktionsgemeinschaft für die Hungernden“, aus der später die „Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt“ (ASW) entstand.

Sein Biograf Konrad Weiß beschreibt ihn mit den Worten: „Vom gleichgültigen Kirchensteuerzahler zum Mann der Bekennenden Kirche, der ganz ‚aus dem Wort‘, aus der Schrift lebt; vom national gesonnenen Verächter der Demokratie zu ihrem glühenden Verteidiger und entschiedenen Gegner der beiden totalitären Regime; und schließlich vom Stadtmenschen zum Öko-Bauern“.

Seit 1999 wird – jeweils zu Beginn der „Ökumenischen Dekade für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung” im November – in Magdeburg alle zwei Jahre der Lothar-Kreyssig-Friedenspreis verliehen. Er soll an Personen, Gruppen oder Organisationen gehen, die sich um Friedens- und Versöhnungsarbeit verdient gemacht haben, besonders im Blick auf jüdische Menschen und auf ost- und südosteuropäische Nachbarn.

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