(1) Ideengeber und Inspirationsquelle ist für uns der historische, um die Zeitenwende in Palästina aufgetretene Jesus von Nazaret. Seine Botschaft leitet uns. Sie ist im Neuen Testament überliefert, aber von nachjesuanischem Gedankengut überlagert, und spielt inhaltlich kaum noch eine Rolle. Dank der historisch-kritischen Bibelexegese kann sie wieder freigelegt werden, wird von den Kirchen jedoch nicht aufgenommen.
(2) Was Jesus von Nazaret vertrat und lebte, war und ist etwas völlig Neues. Dies geht aus 21 in den ersten drei Evangelien des Neuen Testaments überlieferten Worten hervor, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich auf Jesus zurückgehen und ihm nicht erst nachträglich in den Mund gelegt worden sind.
(3) Alles läuft in diesen 21 Worten darauf hinaus, dass wir und wie wir gut und richtig leben können. Hier und jetzt sollen wir glücklich, mehr noch: „selig“ sein, nicht erst in einer besseren Welt. Die Botschaft und Existenzweise Jesu überzeugen mit ihrer unübertroffenen Einzigartigkeit.
(4) Entscheidend ist, mit unserer ganzen Existenz unmittelbar mit der Welt Kontakt zu haben. Die Weltverbundenheit ist das zentrale Merkmal, der gemeinsame Nenner jener 21 Jesusworte.
(5) Dreh- und Angelpunkt ist das Leben des Menschen, seine Existenzweise. Die Jesusbotschaft enthält keine Glaubenssätze, die es anzuerkennen gilt, in ihrem Zentrum steht keine Lehre, keine Ideologie, sondern sie betrifft unsere ganz konkrete Lebenspraxis. Sie beruht auf einer Wahrnehmung der Welt in einem neuen Licht.
(6) Wer in dieser Verbundenheit existiert, dem spricht Jesus zu, was er „Reich Gottes“ nennt. Reich Gottes ist für ihn kein Zustand, meint nicht eine heile, gerechte Welt, die es herzustellen gilt oder die einmal kommen wird. Vielmehr hat man voll und ganz daran teil, wenn man wirklich lebt, im Einklang mit der Welt.
(7) Dies äußert sich ganz konkret. So spricht Jesus den Armen das Reich Gottes unmittelbar zu und preist sie „selig“. Mit ihnen meint er nicht die, die im Elend leben, sondern Menschen, die nur das besitzen, was sie wirklich brauchen. Sie leben im Einklang mit ihrer Mitwelt – nicht die Reichen, denen Jesus die Teilhabe am Reich Gottes denn auch kategorisch abspricht. Genauso die Kinder: Von Anfang an kommunizieren und kooperieren sie mit der Welt. Sie sind noch gar nicht in der Lage, sich von ihr zu distanzieren, sie von außen zu betrachten, sie sich anzueignen oder zu benutzen. Deshalb spricht Jesus auch ihnen die Teilhabe am Reich Gottes vorbehaltlos zu, ja erklärt sie zu unseren Lehrmeistern.
(8) Im Miteinander und Füreinander erfüllt sich unser Menschsein, nicht durch Konkurrenz und Wettbewerb. Am Reich Gottes teilzuhaben, in ihm zu existieren bedeutet somit immer zu ko-existieren.
(9) Diese Ko-Existenz betrifft nicht nur die Menschenwelt, sondern die ganze Erde. „Erdmatriot aus Nazareth“ – mit Recht hat der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti (1921–2017) Jesus in einem seiner Gedichte mit diesem treffenden Titel ausgezeichnet. Als „Erdmatriot:innen“ möchten auch wir uns verstehen, als Menschen, die nicht exklusiv ihrer „patria“, ihrem „Vaterland“ verbunden sind, sondern ganz umfassend und ganz konkret mit der Erde als ihrer „mater“, ihrer Mutter.
(10) Was in jenen 21 Jesusworten zum Ausdruck kommt, ist von einer so grundlegenden Relevanz, dass man es dem zuordnen könnte, was allgemein unter „Religion“ verstanden wird. „Gegenstand“ dieser jesuanischen Religion ist nicht eine Gottheit, das Jenseits oder die Innerlichkeit, sondern die Welt beziehungsweise unsere Beziehung zu ihr. So kann man diese ganz andere Art von Religion eine „Welt-Religion“ nennen. Der Bindestrich signalisiert, dass damit keine weitere der weltweit verbreiteten, oftmals konkurrierenden exklusiven Einzelreligionen gemeint ist. Es geht um eine uns allen gemeinsame Grundorientierung, an die wir uns immer wieder erinnern und auf die wir uns immer wieder neu verständigen müssen.
(11) Wir bekennen uns zur Botschaft Jesu von der Gegenwart des Reiches Gottes, vom richtigen Leben hier und jetzt. Auf ihrem Boden könnte eine Welt erblühen, in der alle Menschen haben, was sie brauchen, aber niemand mehr. Jesus hat gezeigt, worauf es dabei ankommt. Uns bestärkt die Überzeugung, dass im Grunde alle Menschen auf der Erde eine Existenzweise, so wie Jesus sie einst skizziert und gelebt hat, dem Streben nach Macht und Reichtum bei Weitem vorziehen.
(12) Wir möchten den überaus bedeutsamen „Klartext Jesus“ bewahren, ihn immer wieder aufs Neue umsetzen und ihn kommunizieren.
Anmerkung zu den Punkten (2) bis (4): Den Text der 21 Jesusworte finden Sie hier und eine Druckvorlage über diesen Link.
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