Zum 4. September 1970

Die Wahl war in jeder Hinsicht historisch: Erstmals überhaupt schaffte es ein Politiker in Lateinamerika auf demokratischem Wege ins Präsidentenamt, der den friedlichen Umbau von Staat und Gesellschaft zum Sozialismus versprach. Es handelte sich um das erste demokratische sozialistische Experiment der Welt. Salvador Allende und seine „Unidad Popular“ hatten das Ziel, in Chile einen Sozialismus zu installieren, der den ärmeren und den Menschen auf dem Land mehr Rechte einräumen und ihnen ein besseres Leben ermöglichen sollte. Die Unidad Popular verstaatlichte den Kohlebergbau und die Textilindustrie, enteignete Banken und ausländische (vor allem US-amerikanische) Großunternehmen, zerschlug den Großgrundbesitz und verteilte den Boden an Kleinbauern und Kollektive wie die Comunidades, die Dörfer der Mapuche der indigenen Bevölkerung im Süden Chiles. Medikamente, Arztbesuche, Schulbücher und einen halben Liter Milch pro Tag für jedes Kind gab es kostenlos.

Das Experiment währte allerdings nur drei Jahre und sieben Tage. Am 11. September 1973 wurden Allende und seine Volksfrontregierung gewaltsam gestürzt. Es folgten 17 Jahre grausame Diktatur.

Am Wahlabend schien dies alles Lichtjahre entfernt. Als der Sieg Allendes feststand, strömten 200.000 Menschen ins Zentrum von Santiago de Chile, um seine Antrittsrede zu verfolgen. Ein Moment, der das ganze Land elektrisierte. „Geht mit der Freude über diesen sauberen Sieg, den wir heute errungen haben, in Ruhe nach Hause“, rief Allende den Menschen zu. Dass „schwere Zeiten“ bevorstünden, war dem designierten Präsidenten schon damals klar: „Aber wir werden unser Land jeden Tag ein Stück gerechter machen.


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