Zum 20. November 1945

Beginn der Nürnberger Prozesse, dem weltgeschichtlich ersten Versuch, Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den Staat zu sühnen

„Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, dass die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen“, lautete eine der Kernpassagen der Anklage-Rede Robert H. Jacksons, des Chefanklägers der Vereinigten Staaten von Amerika zum Auftakt der Nürnberger Prozesse.

Am 20. November 1945 mussten sich erstmals in der Weltgeschichte führende Repräsentanten eines Staates für ihre Verbrechen vor einem internationalen Gericht verantworten. An diesem Tag wurde im Saal 600 des Justizgebäudes in der Fürther Straße in Nürnberg der „Hauptkriegsverbrecherprozess“ gegen 24 ranghohe Vertreter des NS-Staats eröffnet. Die vier alliierten Siegermächte – USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich – hatten sich zuvor am 8. August 1945 im Londoner „Statut für den Internationalen Militärgerichtshof“ auf ein gemeinsames Verfahren geeinigt. Auch das war ein Novum in der Geschichte und bildete einen Grundstein für den Internationalen Strafgerichtshof, der seit 2003 in Den Haag tagt.

Experten bewerten den Nürnberger Schwurgerichtssaal 600, in dem die Nürnberger Prozesse stattfanden, als die „Geburtsstätte des Völkerrechts“. Grundlage waren die am 29. Juli 1950 verabschiedeten „Nürnberger Prinzipien“. Ihre Bedeutung für das moderne Völkerrecht ist immens. Die „Nuremberg Principles“ haben crimes against humanity, genocide and crimes against peace (Verbrechen gegen die Menschlichkeit bzw. gegen die Menschheit, Völkermord und Verbrechen gegen den Frieden) zu den Hauptmenschheitsverbrechen erklärt. Sie sind seither die Grundlage des modernen Völkerrechts ebenso wie des Kriegsverhütungssystems der UN-Charta geworden.

„Jetzt sitzen also der Krieg, der Pogrom, der Menschenraub, der Mord en gros und die Folter auf der Anklagebank. Riesengroß und unsichtbar sitzen sie neben den angeklagten Menschen. Man wird die Verantwortlichen zur Verantwortung ziehen. Es darf nicht nur diesmal gelingen, sondern in jedem künftigen Falle! Dann könnte der Krieg aussterben. Wie die Pest und die Cholera. Und die Verehrer und Freunde des Kriegs könnten aussterben. Wie die Bazillen.“ (Erich Kästner)

Am 21. November 2010 wurde in Nürnberg das „Memorium Nürnberger Prozesse“ eröffnet. Es bietet einen Blick auf den Schwurgerichtssaal 600 und informiert über die juristische Aufarbeitung der NS-Kriegsverbrechen.

Literatur:

  • Thomas Darnstädt, Nürnberg. Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945, Piper Verlag, München 2015
  • Klaus Kastner, Die Völker klagen an. Der Nürnberger Prozess 1945 – 1946, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005

Hörbücher:

  • Jochanan Shelliem, „Im Namen des Volkes“. Hinter den Kulissen des Nürnberger Prozesses. Mit exklusiven Zeitungsberichten und Originaltönen, Der Audio-Verlag, 2015
  • Ulrich Lampen, Die NS-Führung im Verhör. Mit Original-Tondokumenten der Nürnberger Prozesse, Der Audio-Verlag, 2015

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