Zum 1. Juli 1968

 

Fritz Bauer (deutscher Richter und Staatsanwalt, Initiator des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses im Jahr 1963) +

Mit Fritz Bauers Namen verbinden sich die Überführung Eichmanns nach Israel, die Wiederherstellung der Ehre der Widerstandskämpfer des 20. Juli und die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. „Gerichtstag halten über uns selbst“ – das war die Maxime, nach der Fritz Bauer seine Landsleute angesprochen hat. An der Straßenfront des Gerichtsgebäudes an der Konrad-Adenauer-Straße in Frankfurt ließ er Artikel 1 des neuen Grundgesetzes anschrauben: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Der Satz steht bis heute für ihn. Fritz Bauer war wohl der profilierteste Staatsanwalt, den die Bundesrepublik je hatte. Er glaubte, dass „Unruhe die erste Bürgerpflicht“ sei, und war davon überzeugt, dass der Bürger ein Widerstandsrecht gegen Willkürakte des Staates habe. Hierfür stritt er als Generalstaatsanwalt von Niedersachsen in einem Aufsehen erregenden Prozess in Braunschweig (1952/53), in dem es um die rechtliche Legitimität des 20. Juli 1944 ging und in dessen Verlauf Bauer die Rehabilitierung der hingerichteten Verschwörer erreichte. Damit war er ein Pionier modernen „zivilgesellschaftlichen“ Denkens, von dem das Rechtswesen nicht ausgenommen war. Mit derselben Zielgerichtetheit setzte er die Aufhellung und Ahndung der NS-Verbrechen in Gang. Als hessischer Generalstaatsanwalt (1956–1968) war er der maßgebliche Initiator der Frankfurter Auschwitzprozesse. Mit dem ersten von Fritz Bauer 1963 initiierten Frankfurter Auschwitz-Prozess begann in Deutschland eine Phase intensiver öffentlicher Aufarbeitung der Vergangenheit. Bis dahin war vielen Deutschen noch fremd, dass massenhafter Mord an Zivilisten nicht als Nebenfolge eines grausamen Krieges abgetan werden kann, sondern ein Verbrechen darstellt. Eine wichtige Rolle spielte Fritz Bauer auch bei der Ergreifung Adolf Eichmanns. Da er berechtigte Zweifel hegte, dass die deutsche Justiz nachdrücklich genug Eichmanns Auslieferung fordern und ihn konsequent wegen Mordes in vielen tausend Fällen anklagen würde, verriet er den Aufenthaltsort des berüchtigten „Buchhalters der Endlösung“ an den israelischen Mossad, damit Eichmann in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte. Am 30. Juni 1968 wurde Fritz Bauer tot in seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Die Umstände seines Todes geben bis heute Rätsel auf.

Vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main an der Zeil 42 erinnern seit dem 13. Mai 2016 ein vier Tonnen schwerer Naturstein und zwei Bronzetafeln an den früheren hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Geschaffen hat es die Frankfurter Künstlerin Tamara Grcic. Für die eine Tafel wählte sie folgende Worte, die Fritz Bauer 1964 auf einer Podiumsdiskussion formuliert hatte: „Sie müssen wissen, es gibt einen Eisberg, und wir sehen einen kleinen Teil und den größeren sehen wir nicht.“ Das Gleichnis stand für das viele Unrecht im Nationalsozialismus, das später ungesühnt blieb. Auf der dazugehörigen Tafel wird darauf hingewiesen, dass von den 8000 an den Verbrechen in Auschwitz beteiligten Deutschen nur 40 strafrechtlich belangt wurden.

Finn Rowold, Michael Kuttner und Thomas Borchert, drei Autoren mit deutsch-dänischen Wurzeln, haben im Namen einer neuen Initiative für eine „Fritz-Bauer-Gade“ in Kopenhagen bei der Kopenhagener Stadtverwaltung den Antrag eingereicht, eine Straße oder einen Platz in der dänischen Hauptstadt nach Fritz Bauer zu benennen. Die größte dänische Zeitung „Politiken“ hat ihn am 9. Juli 2022 veröffentlicht. Die Frankfurter Rundschau hat ihn in der Ausgabe vom 16./17. Juli 2022 (leicht gekürzt und bearbeitet) abgedruckt.

 

Literatur:

  • Werner Renz, Fritz Bauer und das Versagen der Justiz. Nazi-Prozesse und ihre „Tragödie“, CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2015
  • „Von Gott und der Welt verlassen“. Fritz Bauers Briefe an Thomas Harlan, herausgegeben von Werner Renz, Campus Verlag, Frankfurt am Main 2015

In den letzten Jahren sind zwei umfangreiche Fritz-Bauer-Biografien vorgelegt worden:

  • Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903–1968. Eine Biographie, C. H. Beck Verlag, München 2009
  • Ronen Steinke, Fritz Bauer. Oder: Auschwitz vor Gericht, Piper Verlag, München 2013

Filme:

  • „Fritz Bauer – Tod auf Raten“, ein Film von Ilona Ziok (Deutschland 2010)
  • „Der Staat gegen Fritz Bauer“, Regisseur: Lars Kraume (Deutschland 2015)

DVD:

  • Fritz Bauer. Gespräche, Interviews und Reden aus den Fernseharchiven 1961–68, Absolut-Medien 2014

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