Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche: Information

 

INFORMATION

 

Nach Informationen der Kinderhilfsorganisation Terre des Hommes werden WELTWEIT etwa 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18 Jahren jedes Jahr Opfer sexualisierter Gewalt. In Indien sind über die Hälfte aller Kinder betroffen, die meisten von ihnen sind Mädchen. 1,8 Millionen Kinder werden pro Jahr zur Prostitution und Pornografie gezwungen. Sechs Milliarden Euro beträgt Schätzungen zufolge der Umsatz mit Kinderprostitution und Kinderpornografie.

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat am 1. November 2017 eine Studie zur Situation Heranwachsender in 50 Ländern der Welt veröffentlicht. Demnach haben geschätzt 15 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 bereits sexuelle Gewalt erlitten. Besonders schlimm ist die Lage in Kamerun und Bangladesch, wo mehr als 20 Prozent der weiblichen Teenager von Übergriffen berichten. Mädchen unter zehn Jahren sind besonders gefährdet im zentralafrikanischen Gabun, wo ihr Anteil unter den Opfern sexueller Gewalt bei mehr als 30 Prozent liegt. Auch in Honduras und Äthiopien ist das Risiko für diese Altersgruppe besonders hoch. Doch auch in fünf europäischen Ländern – allen voran Luxemburg und Großbritannien – beklagt eine von zehn Frauen sexuelle Gewalt in einem Alter unter 15 Jahren.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass etwa 1,8 Millionen Minderjährige in EUROPA von sexualisierter Gewalt betroffen sind.

 

Laut der am 23. Mai 2023 vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) sind in DEUTSCHLAND im Jahr 2022 jeden Tag durchschnittlich mindestens 48 Kinder von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen. Rund 15.500 Fälle wurden angezeigt. Das Dunkelfeld ist aber um ein Vielfaches größer.

Laut dem für das Berichtsjahr 2022 erstmals durch das Bundeskriminalamt erstellten und am 30. Oktober 2023 veröffentlichten Bundeslagebild „Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ waren 17.168 Kinder unter 14 Jahren im Jahr 2022 von sexualisierter Gewalt betroffen. Fast in jedem siebten Fall handelte es sich um Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht erreicht hatten. Außerdem seien 1.211 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen.

Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 11. August 2022 haben die Jugendämter im Jahr 2021 in Deutschland bei über 59.948 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt festgestellt. Etwa jedes zweite der betroffenen Kinder war jünger als acht Jahre (49 Prozent), jedes vierte sogar jünger als vier Jahre (25 Prozent). In 45 Prozent aller Fälle von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt. Bei knapp einem Fünftel (18 Prozent) gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 13 Prozent wurden Indizien für körperliche Misshandlungen und in weiteren vier Prozent Anzeichen für sexualisierte Gewalt gefunden. Hinzu kommt eine große Dunkelziffer.

Nach neuesten Schätzungen, so Johannes-Wilhelm Rörig, seinerzeit nabhängiger Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, in Berlin zum Start einer Fachtagung zum Thema Prävention im März 2016, sei davon auszugehen, dass rund eine Million Kinder in Deutschland betroffen sind. Etwa 12.500 Fälle würden pro Jahr angezeigt, hinzu komme die „sehr viel höhere Dunkelziffer“. Dunkelfeldforschungen gehen davon aus, dass jedes achte bis zwölfte Kind in Deutschland in seinem Leben mindestens einmal sexuelle Gewalt erlitten hat. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht sogar davon aus, dass in Deutschland von 13 Millionen Kindern und Jugendlichen etwa eine Million von sexuellem Missbrauch mit und ohne Körperkontakt betroffen sind.
Experten schätzen, dass 15 bis 20 Prozent aller Fälle auf das Konto von Frauen gehen. Meist sind es die Mütter, die sich an ihren Kindern vergehen. Zu Anzeigen und Verurteilungen kommt es trotzdem fast nie.

Anmerkung: „Der Begriff ‚Missbrauch‘ ist falsch und irreführend, verharmlosend und relativierend, weil er nahelegt, dass es auch einen richtigen ‚Gebrauch‘ geben würde.“ (Benno Hafeneger, Strafen, prügeln, missbrauchen. Gewalt in der Pädagogik, Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt am Main, 2011, 7 Anm. 1)

Die Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, sogenannte Kinderpornografie, werden immer brutaler. 80 Prozent der misshandelten Kinder sind noch keine zehn Jahre alt, 30 Prozent sogar unter zwei Jahren. Zunehmend zeigen die Bilder sogar schweren Missbrauch von Kindern unter sechs Jahren. Interpol schätzte 2008, dass im weltweiten Netz Bilder von bis zu 20.000 sexuell misshandelten Kindern zu finden sind. Rund 80 Prozent der abgebildeten Kinder kommen aus Entwicklungs- und Schwellenländern. (Frankfurter Rundschau vom 9. September 2010) Ohne ein Vertrauen in die Welt und die Mitmenschen ist ein einigermaßen gesundes und gelassenes Verhalten gegenüber Mitmenschen nicht möglich. Die betroffenen Personen sind meist lebenslang in ihrem Vertrauen in die Welt erschüttert.

In Deutschland sind laut einer Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 30. Oktober 2023 im Jahr 2022 Fälle der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinder– und jugendpornografischer Inhalte deutlich gestiegen.

 

Literatur:

  • Zerstörerische Vorgänge. Missachtung und sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Institutionen, herausgegeben von Sabine Andresen und Wilhelm Heitmeyer, Beltz Verlag, Weinheim 2012
  • Nina Apin, Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt, Ch. Links Verlag, Berlin 2020

Film:

  • Die Hände meiner Mutter (Regie: Florian Eichinger, Kinostart: 1. Dezember 2016)

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