Schwund der Biodiversität: Information: Artensterben in Deutschland

 

Artensterben in Deutschland

Alle sechs Jahre nehmen Bund und Länder eine Bewertung des Zustands der Natur in Deutschland vor. Dazu werden umfassende Berichte erstellt, die durch die Bundesregierung an die EU-Kommission zur Erfüllung der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und der EU-Vogelschutz-Richtlinie übermittelt werden. Grundlage für die Analyse ist ein Datenschatz, den ehrenamtliche Naturschützerinnen und Naturschützer und Behörden bundesweit zusammengetragen: In rund 14.000 Stichproben haben sie im Zeitraum von 2013 bis 2018 den Zustand von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen erfasst, die über die europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinien geschützt sind. Für den Vogelschutzbericht liefern die Programme des bundesweiten Vogelmonitorings eine weitere wichtige Datenbasis. Aus den Daten lassen sich auch Rückschlüsse auf die Lage der Natur in Deutschland insgesamt ziehen. Der jüngste „Bericht zur Lage der Natur“ wurde am 19. Mai 2020 in Berlin vorgestellt.

In den vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn herausgegebenen Roten Listen gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands wird der Gefährdungsstatus von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten für einen bestimmten Bezugsraum dargestellt. Sie werden etwa alle zehn Jahre unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz für ganz Deutschland herausgegeben. Als zentrale Koordinationsstelle übernimmt das Rote-Liste-Zentrum im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz die Gesamtkoordination aller bundesweiten Roten Listen der Wirbeltiere, der wirbellosen Tiere, der Pflanzen sowie der Pilze und Flechten Deutschlands.

Der Zustand vieler Säugetiere in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren verschlechtert. Verbesserungen sind dagegen für Arten zu verzeichnen, die von gezielten Natur- und Umweltschutzmaßnahmen profitieren. Knapp ein Drittel der Säugetiere in Deutschland ist in seinem Bestand gefährdet. Das sind Ergebnisse der aktuellen Roten Liste der Säugetiere, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) am 8. Oktober 2020 gemeinsam mit dem Rote-Liste-Zentrum (RLZ) vorgestellt hat.

Anfang 2017 hat das Bundesamt für Naturschutz (BfN) eine neue Rote Liste der Großpilze veröffentlicht. Nur von jedem zweiten weiß man genug, um den Grad der Gefährdung zu bewerten. Von diesen finden sich über die Hälfte in der Roten Liste: 808 Arten gelten als bestandsgefährdet und weitere 728 Arten als extrem selten und daher latent bedroht.

Laut der am 5. Dezember 2018 vom Bundesamtes für Naturschutz (BfN) veröffentlichten Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Algen sind in Deutschland 30,8 Prozent von insgesamt 8650 heimischen Wildpflanzen in ihrem Bestand gefährdet.

Bei den Amphibien und Reptilien ist der Anteil bestandsgefährdeter Arten höher als in jeder anderen Artengruppe in Deutschland. In den letzten 20 Jahren hat sich die Situation für die meisten dieser Arten weiter verschlechtert. Jede zweite der 20 untersuchten Amphibienarten ist in ihrem Bestand gefährdet, bei den Reptilien liegt der Anteil mit neun von 13 noch höher. Dieses Resümee zieht das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem Rote-Liste-Zentrum (RLZ) anlässlich der am 17. August 2021 veröffentlichten neuen Roten Listen der Amphibien und Reptilien. Hauptursache für die „alarmierende Gefährdungssituation“ sei der Verlust von Lebens- und Teillebensräumen.

Wie aus der am 4. Januar 2024 vom Bundesamt für Naturschutz und dem Rote-Liste-Zentrum der Öffentlichkeit vorgestellten neuen Roten Liste der Süßwasserfische und Neunaugen hervorgeht, sind heute mehr als die Hälfte der 90 bewerteten einheimischen Süßwasserfisch- und Neunaugen-Arten bestandsgefährdet oder ausgestorben.

Am 20. Mai 2015 stellte das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zum ersten Mal einen umfassenden Artenschutz-Report vor. Danach gilt inzwischen knapp ein Drittel der in Deutschland heimischen 48.000 Tierarten, 9500 Pflanzen- und 14.400 Pilzarten als bestandsgefährdet, vier Prozent davon sind bereits ausgestorben. Besonders gravierend ist die Situation bei den wirbellosen Tieren, zu denen beispielsweise die Insekten gehören. Hier gelten sogar 45,8 Prozent der bislang 6057 untersuchten Arten und Unterarten als bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Besonders bei den Brutvogelarten hat sich die Situation in den letzten Jahren spürbar verschlechtert: Über die letzten zwölf Jahre nahmen 34 Prozent in ihrem Bestand mehr oder weniger stark ab. Über 23 Prozent der Zugvogelarten sind bestandsgefährdet und stehen auf der Roten Liste der wandernden Vogelarten.

16 von 20 typischen Feldvogelarten in Deutschland sind laut „Roter Liste“ der Weltnaturschutzorganisation in ihrem Bestand gefährdet, darunter die Feldlerche, das Braunkehlchen oder der Grauammer. Die Kiebitz und das Rebhuhn gelten in Deutschland sogar als „stark gefährdet“. Zwischen 1990 und 2013 verschwanden in Deutschland 35 Prozent aller Feldlerchen, 80 Prozent aller Kiebitze und 84 Prozent aller Rebhühner, wie aus einer am 4. Mai 2017 veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorging. Hauptgrund ist die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft. „Geht man in Zukunft von einer Fortführung dieser Bewirtschaftungsintensität beziehungsweise sogar von einer Erhöhung aus, könnten ganze Agrarlandschaften vogelleer werden“, heißt es in einer im Juni 2017 veröffentlichten Überblicksstudie, die das Forschungsinstitut für Ökosystemanalyse und -bewertung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellte. Die Bestandsentwicklung der Feldvogelarten sei „besorgniserregend“. Wie aus der am 22. Oktober 2019 veröffentlichten Analyse einer Fachgruppe der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft (DO-G) hervorgeht, halten die Bestandsrückgänge von Rebhuhn, Kiebitz, Feldlerche und vielen weiteren Vogelarten der Agrarlandschaft nicht nur an, sie haben sich in den letzten Jahren sogar weiter beschleunigt. Die von der Fachgruppe „Vögel der Agrarlandschaft“ der DO-G erarbeitete Analyse berücksichtigt die neuesten Daten aus dem Vogelschutzbericht 2019 mit Bestandsdaten bis 2016, die das Bundesumweltministerium im Juli 2019 der EU übermittelt hat.

Mindestens 60 Schmetterlingsarten sind laut Bundesamt für Naturschutz in Bonn (2020) in Deutschland bereits ausgestorben. 494 weitere seien vom Aussterben bedroht oder unterschiedlich stark gefährdet. Insgesamt gebe es rund 3700 Arten.

Dass in der Agrarlandschaft praktisch alle Tier- und Pflanzengruppen von einem eklatanten Schwund betroffen sind, ist das Ergebnis des am 20. Juni 2017 veröffentlichten Agrar-Reports zur biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft des Bundesamts für Naturschutz (BfN).

In Deutschland sind 26,2 Prozent von knapp 6.750 neu bewerteten Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Das ist die Bilanz der am 16. März 2022 vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichten Roten Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze  Deutschlands. Band 5: Wirbellose Tiere (Teil 3), dem dritten und abschließenden Band zu den wirbellosen Tieren. Insgesamt wurden in den drei Bänden mehr als 15.000 wirbellose Arten, darunter 14.000 Insektenarten, untersucht. Davon sind über 4.600 Arten in ihrem Bestand gefährdet. Das heißt: 29,6 Prozent wurden in die Kategorien ‚Vom Aussterben bedroht‘, ‚Stark gefährdet‘, ‚Gefährdet‘ oder ‚Gefährdung unbekannten Ausmaßes‘ eingestuft. Keine andere Insektengruppe ist in Deutschland so bedroht wie die Ameisen: Mehr als 90 Prozent der insgesamt 107 Arten, mit denen diese Familie hierzulande vertreten ist, ist rückläufig.

Eine am 18. Oktober 2017 veröffentlichte Studie des renommierten Wissenschaftsjournals PLOS ONE bestätigt erstmals, dass der Insektenbestand in einigen Regionen Deutschlands in den letzten 27 Jahren um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist. Wie Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und der Technischen Universität München nachgewiesen haben, sind davon nicht nur in erster Linie spezialisierte Arten betroffen, vielmehr würden auch derzeit noch weitverbreiteten Insekten künftig hohe Verluste drohen. Diese „Krefelder Studie“ löste weltweit ein enormes Echo aus. Auch fünf Jahre später hat sich die Lage für die Insekten nicht verbessert.

Laut einer im Oktober 2019 in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlichten Studie zum Insektenschwund, die die Technische Universität München (TUM) vorgelegt hat, sind auf vielen Flächen in Deutschland heute etwa ein Drittel weniger Insektenarten nachweisbar als noch vor einem Jahrzehnt.

Wie aus einer am 4. April 2023 im Journal „Communications Biology“ veröffentlichten Studie der Technischen Universität Darmstadt und der Technischen Universität München hervorgeht, schrumpft die Insektenpopulation nicht nur auf landwirtschaftlich genutzter Fläche, sondern auch im Wald. Der Studie zufolge ist ihre Zahl bei mehr als 60 Prozent der untersuchten Insektenarten in den letzten 15 Jahren zurückgegangen.

Weiterführende Informationen zum Rückgang der Insekten finden Sie hier.

Zwischen 1990 und 2013 sind in Deutschland 84 Prozent aller Rebhühner, 80 Prozent der Kiebitze und 35 Prozent der Feldlerchen verschwunden, wie aus einer Anfang Mai 2017 veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.

Der deutliche Rückgang heimischer Vögel auf Wiesen, Weiden und Äckern hält weiter an, in den Wäldern zeichnen sich hingegen Zunahmen der Bestände ab. Das ist die Kernaussage der am 5. Februar 2020 vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichten Publikation „Vögel in Deutschland. Übersichten zur Bestandssituation„. Der Bestand an Brutpaaren ist von 1992 bis 2016 in Deutschland um mehr als sieben Millionen Paare zurückgegangen. Somit leben heute etwa acht Prozent weniger Brutvögel in Deutschland als noch vor 24 Jahren.

Die Zahl der vom Aussterben bedrohten Brutvögel in Deutschland ist weiter gestiegen. 33 Arten fallen nun auf der am 23. Juni 2021 vom Nationalen Gremium Rote Liste Vögel veröffentlichten Neuen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands unter diese Kategorie. Im Vergleich zur vorherigen Fassung von 2015 ist die Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten damit um mehr als zehn Prozent gestiegen. In der nun vorgelegten sechsten Fassung der Roten Liste wurden 43 Prozent der 259 regelmäßig in Deutschland brütenden heimischen Vogelarten aufgenommen, darunter auch die bereits ausgestorbenen Arten. Demnach gilt annähernd jede zweite Brutvogelart hierzulande als bedroht. Die Rote Liste Vögel erstellt ein vom Deutschen Rat für Vogelschutz e. V. eingesetztes Gremium. Dieses bewertet alle sechs Jahre die Gefährdung aller Brutvogelarten nach einheitlichen Methoden, sodass die Einschätzungen vergleichbar sind.

Am 10. März 2014 wurde vom Deutschen Rat für Vogelschutz (DRV) und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) zum ersten Mal eine Rote Liste der wandernden Vogelarten in Deutschland präsentiert. 500 Millionen Zugvögel ziehen jährlich über Deutschland – knapp 25 Prozent der Arten stehen auf der Roten Liste. Die Ergebnisse zeigen die hohe internationale Bedeutung Deutschlands für wandernde Vogelarten. Deutlich wird ebenso die Abhängigkeit der nationalen Zugvogelbestände von effektiven internationalen Schutzmaßnahmen auf den Flugrouten, Rast- und Brutplätzen.

Informationen zur ökologischen Landwirtschaft finden Sie hier.


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