Schädigung und Zerstörung der Flüsse: Inspiration

 

INSPIRATION

 

Als ob Natur aus Stücken wäre
Flüsse, Auen, Moore, Wälder
Rohe Willkür baut sie um
Vordergründig scheint es nützlich

Die Flüsse sind verschenkter Platz
Für Straße, Siedlung und Gewerbe
Der Fluss wird eingeengt, begradigt
So bleibt am Ende ein Kanal

Doch ist der Fluss kein Ding für sich
Kein isoliertes Einzelstück
Sein Wasser steht fürs ganze Eine
Ein Lebewesen schon beinahe

Die Flüsse enden nicht am Ufer
Sind eng verflochten mit der Erde
Ich bin nicht an der Haut zu Ende
Bin selbst ein Brennpunkt vieler Strahlen

Eingewoben ins Gewebe
Wasser, Landschaft, Erde, Luft
Sind Mensch und Flüsse eine Einheit
Und so einander nicht zum Schaden

Hans Bischlager

(Hans Bischlager, Entschieden wird im Untergrund. Politische Gedichte, Hamburg 2017, S. 7) 

 

He thought his happiness was complete when, as he meandered aimlessly along, suddenly he stood by the edge of a full-fed river. Never in his life had he seen a river before – this sleek, sinuous, full-bodied animal, chasing and chuckling, gripping things with a gurgle and leaving them with a laugh, to fling itself on fresh playmates that shook themselves free, and were caught and held again. All was a-shake and a-shiver – glints and gleams and sparkles, rustle and swirl, chatter and bubble. The Mole was bewitched, entranced, fascinated. By the side of the river he trotted as one trots, when very small, by the side of a man who holds one spell-bound by exciting stories; and when tired at last, he sat on the bank, while the river still chattered on to him, a babbling procession of the best stories in the world, sent from the heart of the earth to be told at last to the insatiable sea.

Aus: Kenneth Grahame, The Wind in the Willows, 1908

Sein Glück schien vollkommen, als er nach langem ziellosen Umherstrolchen plötzlich einen randvoll mit Wasser gefüllten Fluss fand. Er hatte noch nie einen Fluss gesehen: so ein glattes, gewundenes, pralles Tier, kollernd und kichernd, das Sachen gurgelnd ergreift und lachend wieder fahren lässt, um sich auf neue Spielgefährten zu stürzen, die sich von ihm losreißen, um sich noch einmal fangen zu lassen. Er bebte und bibberte, glänzte und glibberte und sprühte Funken, er rauschte und strudelte, schwatzte und blubberte. Der Maulwurf war bezaubert, verhext und angetan. Er trabte am Fluss entlang wie jemand, der noch sehr klein ist, neben jemandem einhertrabt, der einem atemberaubende Geschichten erzählt. Als er schließlich erschöpft war, setzte er sich ans Ufer und lauschte dem Fluss, der weiter mit ihm schwatzte: ein plappernder Aufmarsch der besten Geschichten der Welt. Sie kamen aus dem Herzen der Erde und bald sollte der Fluss sie an das unersättliche Meer weitererzählen.

Aus: Kenneth Grahame, Der Wind in den Weiden. Übersetzt von Harry Rowohlt, Zürich 2004

 

“The great River flows from the mountains to the sea. I am the River, the River is me.”
With these words, the Maori tribes of Whanganui, New Zealand, declare their inseverable connection to their ancestral river. The river rises in the snowfields of a trio of volcanoes in central North Island. The tribes say that a teardrop from the eye of the Sky Father fell at the foot of the tallest of these mountains, lonely Ruapehu, and the river was born.

Aus: Kennedy Warne, Maori River in New Zealand is a Legal Person, in: National Geographic

 

Die indigenen, präkolumbianischen Gesellschaften im gesamten Mississippi-Tal wussten, dass ein gesunder Fluss Phasen der Überflutung und der Trockenheit durchläuft und dass dieser Kreislauf dem Strom und den Zivilisationen an seinen Gestaden ihre Gestalt verlieh. Die amerikanischen Ureinwohner errichteten ihre Dörfer nicht am Flussufer, sondern landeinwärts, um dem launischen Gewässer nicht zu nahe zu kommen. Ihre Siedlungen waren ohnehin meist Zeltstädte, die verlegt werden konnten, wenn das Wasser über die Ufer trat.

Aus: Elizabeth Rush, Die Welt aus der Sicht einer niedrig gelegenen Insel. Die Folgen des Klimawandels für Isle de Jean Charles, Louisiana, in: Le Monde diplomatique vom 07.01.2016

 

Our vision is to have free-flowing rivers full of fish!

World Fish Migration Foundation

 

Alles ist aufeinander bezogen, und alle Menschen sind als Brüder und Schwestern gemeinsam auf einer wunderbaren Pilgerschaft, miteinander verflochten durch die Liebe, die Gott für jedes seiner Geschöpfe hegt und die uns auch in zärtlicher Liebe mit ‚Bruder Sonne‘, ‚Schwester Mond‘, Bruder Fluss und Mutter Erde vereint.

Papst Franziskus, Enzyklika „Laudato si“, 2015, Nr. 92

 

Verwandeln wir unsere Wasserläufe in Heiligtümer der Natur, wo die Tiere in Frieden leben und wir alle Trost und neue Energie finden können.

Harald Ullmann, Peta Deutschland, in einem Leserbrief in der Frankfurter Rundschau vom 10. Mai 2003

 

In diesem Zusammenhang sei auch auf das Titelbild für denWeltgebetstag 2014  aus Ägypten hingewiesen, mit dem die ägyptische Künstlerin Souad Abdelrasoul das Motto des Weltgebetstags („Wasserströme in der Wüste“) interpretiert.

 

Der von den Maori tief verehrte neuseeländische Fluss Whanganui – von den Maori wird er Te Awa Tupua genannt – ist vom Parlament in Wellington am 15. März 2017 einschließlich seiner Nebenflüsse „und all seiner physischen und metaphysischen Elemente“ zur juristischen Person erklärt worden. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Gewässer diese Rechtsform erhält. Das nun verabschiedete Gesetz erkenne die „tiefe spirituelle Verbindung zwischen dem Whanganui-Stamm und dem Fluss seiner Ahnen an“, hieß es. Unter dieser Rechtsform kann er bei juristischen Verfahren vertreten werden. Zwei Anwälte, einer vom örtlichen Maori-Stamm und einer von der Regierung, vertreten fortan die Interessen des Flusses.
Wenige Tage später hat ein Gericht in Indien die Flüsse Ganges und Yamuna zu Rechtspersonen erklärt. Damit genießen die beiden heiligen Flüsse der Hindus die gleichen Rechte, wie sie natürlichen Personen durch die indische Verfassung garantiert werden, berichtete das indische Nachrichtenportal Oneindia am 21. März 2017. Mit dem Urteil soll der Schutz der beiden Flüsse vor weiterer Verschmutzung und Umweltbelastung gestärkt werden.


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