Lichtverschmutzung, Verlust der Nacht: Information

 

INFORMATION

 

Der Begriff „Lichtverschmutzung“ bezeichnet die massive und zunehmende Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, deren Licht in den Luftschichten der Erdatmosphäre gestreut wird und wodurch Flora und Fauna in ihrem natürlichen Hell-Dunkel-Rhythmus gestört werden.

Am 11. September 2001 erschien in der Monatszeitschrift der Royal Astronomical Society in Oxford eine Studie, die das Bewusstsein für die Lichtverschmutzung entscheidend geprägt hat. Darin sieht man Karten von trauriger Schönheit: Über allen Kontinenten der Erde glänzt bei Nacht künstliches Licht – je höher das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, desto heller der Lichtschein. Auf der Europakarte findet man keine Gegend ohne elektrische Beleuchtung mehr, während Afrika noch breite dunkle Flächen aufweist.

80 Prozent der Weltbevölkerung lebt bereits unter einem Himmel, der auch nachts beleuchtet ist. In Europa sind es sogar 99 Prozent. Ein Drittel der Weltbevölkerung kann die Milchstraße nicht mehr erkennen. Das sind die Ergebnisse einer Forschungsprojekts zur globalen Lichtverschmutzung, das Forscher aus den USA, Italien, Israel und Deutschland nicht nur am 10. Juni 2016 im Wissenschaftsmagazin Science Advances publiziert, sondern auch als interaktive Weltkarte zugänglich gemacht haben.

In Europa werden die Nächte jährlich um etwa sechs Prozent heller.

In weiten Teilen Deutschlands wir die Nacht wird immer mehr zum Tag. Das belegen neue Satellitendaten zur Erdbeobachtung, die Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam ausgewertet und am 29. Dezember 2017 veröffentlicht haben. Demnach sind zwischen 2012 und 2017 die Nächte in nahezu allen Bundesländern immer heller geworden, wenn auch nicht im gleichen Umfang. Lediglich in Thüringen hat die Dunkelheit in diesem Zeitraum nicht ab-, sondern zugenommen.

Einem Fachartikel im Magazin „Ecology and Society“ zufolge wächst die Lichtverschmutzung in Deutschland jährlich um sechs Prozent. Experten wie Dietrich Henckel, der an der TU Berlin lehrt und gleichzeitig Projektleiter im Forschungsverbund Verlust der Nacht ist, sprechen von einer „Kolonisierung der Nacht“.

Die Lichtverschmutzung nimmt immer mehr zu und hat für Mensch und Tier dramatische Folgen. Viele Tiere reagieren gereizt auf die nächtliche Lichtüberflutung. Die Artenvielfalt der Nachtfalter hat bereits abgenommen, weil die Tiere durch das künstliche Licht die Orientierung verlieren und so lange um Lampen flattern, bis sie völlig erschöpft sind. Man schätzt, dass jedes Jahr etwa 150 Billionen nachtaktive Insekten allein an Deutschlands Straßenlaternen verenden. Aber auch der Mensch ist betroffen. Wissenschaftliche Untersuchungen stützen die Vermutung, das Kunstlicht ähnlich wie Schichtarbeit den Ausstoß des Hormons Melatonin stark beeinflusst, damit den Tag-und-Nacht-Rhythmus, den grundlegendsten Rhythmus des Lebens, durcheinanderbringt und so die Gesundheit beeinträchtigt. Die Weltgesundheitsorganisation stuft Nachtarbeit wegen des Kunstlichts als möglicherweise krebserregend ein.

Britische Forscher haben bereits im Jahr 2013 nachgewiesen, dass sich unter dem Einfluss des Lichts der Straßenlaternen die Gemeinschaft der Insekten dauerhaft verändert.

Laut einer am 2. August 2017 in der Zeitschrift „Nature“ unter dem Titel „Artificial light at night as a new threat to pollination“ veröffentlichten Untersuchung eines Teams von Wissenschaftlern der Universität Bern verringert künstliche Beleuchtung die nächtliche Bestäubung von Pflanzen durch Insekten deutlich. Auch Tagbestäuber wie Bienen glichen das Defizit nicht aus.

Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben nachgewiesen, wie intensiv künstliche Beleuchtung auch in der Nähe von Gewässern die Gemeinschaften von Insekten beeinflusst. Wie Staubsauger entziehen die Lampen demnach diesen Ökosystemen die fliegenden Insekten. Zu ihrem Schutz wäre es nach Ansicht der Forschenden sinnvoll, die direkte Beleuchtung von Wasseroberflächen zu vermeiden sowie Flächen am Ufer nicht mehr so stark und auch kürzer zu beleuchten.

Literatur:

Film:

 

Immer stärker beeinträchtigen jetzt aber auch Satelliten den Nachthimmel. Astronomen haben sich besorgt über die rasante Zunahme der Zahl künstlicher Satelliten am Nachthimmel geäußert. Die Satelliten hätten erhebliche Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Sternenhimmels und die Erforschung des Universums, warnten am 18. Januar 2021 die Astronomische Gesellschaft, die Vereinigung der Sternfreunde und die Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien. Notwendig seien internationale Vereinbarungen zum Schutz des Nachthimmels als menschliches Kulturgut und Forschungsobjekt.
Seit Mai 2019 ziehen die vom privaten US-Raumfahrtunternehmen SpaceX massenhaft in die Erdumlaufbahn gebrachten Starlink-Satelliten in Gruppen über den Himmel. SpaceX will mit Starlink eine satellitenbasierte Infrastruktur für Hochgeschwindigkeits-Internetanbindungen weltweit bereitstellen. Hierfür seien im endgültigen Ausbau der Konstellation über 30.000 Satelliten vorgesehen, was die Zahl aller bislang in der Erdumlaufbahn befindlichen Satelliten bei weitem übersteige, gaben die astronomischen Organisationen zu bedenken. Weitere Unternehmen planten teils ähnliche Projekte. „Die Astronomie ist sich der Bedeutung der Internetanbindung entlegener Regionen der Erde sowie weiterer technologischer Entwicklungen bewusst“, heißt es in der Stellungnahme. Für Astronomen sei aber der Schutz des Sternenhimmels als einzigartiges Kulturerbe der Menschheit ein zentrales Anliegen. Mit zehntausenden zusätzlichen Objekten in der Erdumlaufbahn sei es ein realistisches Szenario, dass am Nachthimmel mehrere tausend über das Firmament ziehende Satelliten die Sternbeobachtung behindern. „Ihre Zahl übersteigt dann die der mit bloßem Auge sichtbaren Sterne“, erklärten die Organisationen. Dies werde den Nachthimmel, dessen Anblick die Menschheit seit Anbeginn fasziniere und inspiriere, „für immer verändern“.


RSS