Bodenausverkauf, Landgrabbing, Privatbesitz an Grund und Boden: Inspiration

 

INSPIRATION

 

Ein Verhältnis, einfach, wunderbar
Aufeinander abgestimmt
Leibverfasst, der Mensch hat Hunger
Des Landes Boden gibt ihm Essen

Dies Urverhältnis wird zerrissen
Zwischen Existenz und Boden
Schiebt sich Leib- und Lebensfremdes
Statt Nahrung soll jetzt Treibstoff wachsen

Kapitalverwertung in der Krise
Investmentfonds, Konzerne, Banken
Erobern neue Kolonien
Kleine Bauern werden fortgetrieben

Zwischen Boden, Land und Nahrung
Ist der Rendite-Mensch getreten
Baut die Früchte nicht zum Essen an
Spaltet auf, was Lebenseinheit ist

Nahrung brauchen alle Menschen
Macht, Gewinn und Reichtum nicht
Klaren Vorrang hat hier das
Was gemeinsam alle eng verbindet

Hans Bischlager

(Hans Bischlager, Entschieden wird im Untergrund. Politische Gedichte, Hamburg 2017, S. 13) 

 

 

Die Erde ist des Herrn und was sie füllt, / der Erdkreis und die darauf wohnen. 

Psalm 24,1

 

‚Paterno agro et avito‘ inquit ‚expellor.‘ Quid? ante avum tuum quis istum agrum tenuit? cuius, non dico hominis, sed populi fuerit potes expedire? Non dominus isto, sed colonus intrasti. Cuius colonus es? si bene tecum agitur, heredis. Negant iurisconsulti quicquam usu capi publicum: hoc quod tenes, quod tuum dicis, publicum est et quidem generis humani.
„Ich werde“, sagt er, „von meinem Acker vertrieben, den ich von meinem Vater und Großvater geerbt habe.“ Was? Wer hat diesen Acker vor deinem Großvater gehabt? Kannst du darlegen, wem, ich meine nicht welchem Menschen, sondern welchem Volk er gehört hat? Nicht als Herr, sondern als Pächter bist Du dort hingetreten. Für wen bist du Pächter? Wenn man es gut mit dir meint, für deinen Erben. Die Rechtsgelehrten bestreiten, dass irgendetwas in Besitz genommen werden kann, was öffentliches Eigentum ist: das, was du hast, was du als dein Eigentum bezeichnest, ist öffentliches Eigentum, und zwar des Menschengeschlechts. (Übersetzung: Rainer Rauthe)

Lucius Annaeus Seneca (4 v.Chr.–65 n.Chr., römischer Philosoph und Schriftsteller), Epistulae morales 88,12

 

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein, und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.“

Jean-Jacques Rousseau (1712–1778, Genfer Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge, Naturforscher und Komponist der Aufklärung),
„Diskurs über die Ungleichheit“ (1755)

 

Vom Standpunkt einer höhern ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so abgeschmackt erscheinen, wie das Privateigentum eines Menschen an einem andern Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als boni patres familias (gute Familienväter) den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.

Karl Marx, Das Kapital, Band III, MEW 25,784

 

Sicher, riefen die Pächter, aber es ist unser Land. Wir haben es vermessen und haben es umgepflügt. Wir sind darauf geboren, und wir sind darauf getötet worden, wir sind darauf gestorben. Wenn es auch nicht gut ist, es ist doch unser Land. Darauf geboren zu sein, es bearbeitet zu haben, darauf gestorben zu sein – dadurch ist es unser Land geworden. Nur dadurch und nicht durch ein Papier mit Zahlen darauf gehört einem das Land.

Aus: John Steinbeck, Früchte des Zorns (The Grapes of Wrath), 1939; Übersetzung: Klaus Lambrecht, 1985

 

Die Erde soll einen Besitzer haben? Wie das? Kann sie etwa verkauft werden? Kann man sie etwa kaufen? Sie gehört uns doch nicht. Sondern wir gehören ihr. Wir sind ihre Kinder.

Indianisch

 

Wie könnt ihr den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen oder verkaufen? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen, wie könnt ihr sie dann von uns kaufen? (…) Dieses wissen wir: Die Erde gehört nicht dem Menschen; der Mensch gehört der Erde.

Aus der „Rede des Häuptlings Seattle, Neuere Version“ (1971/1972)

 

Land zu besitzen oder zu verkaufen, schien eine Idee zu sein, die so fremd war, als ob man die Wolken oder den Wind besitzen oder verkaufen wollte.

Kirkpatrick Sale, The Conquest of Paradise. Christopher Columbus and the Columbian Legacy, New York 1990, S. 314,
zitiert aus: Silvia Federici, Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus & Commons.
Übersetzt von Leo Kühberger, Wien/Berlin, 3. Auflage 2021, S. 128

 

Das Gemeinwohl verlangt (…) manchmal eine Enteignung von Grundbesitz, wenn dieser wegen seiner Größe, seiner geringen oder überhaupt nicht erfolgten Nutzung, wegen des Elends, das die Bevölkerung durch ihn erfährt, wegen eines beträchtlichen Schadens, den die Interessen des Landes erleiden, dem Gemeinwohl hemmend im Wege steht.

Paul VI., Enzyklika „Populorum Progressio“, 1967, Nr. 24

 

Die Leute, die sich einbilden, ein Stückchen Erde dieses Planeten durch irgendeine Urkunde besitzen zu können, sind genauso verrückt wie eine gewisse Sorte Amerikaner, die schon heute Grundstücke auf dem Mond erwerben, die ihnen irgendeine extravagante und geschäftstüchtige Agentur verkauft. Einen Wald oder eine Wiese besitzen die Vögel und die Tiere, die sich daran erfreuen oder auch das Liebespaar, das darin spazierengeht oder der Einsiedler, der da lebt, aber auf keinen Fall einer, der nur eine Besitzurkunde darüber hat.
Wir alle besitzen die ganze Natur, den Sternenhimmel und die Erde mitsamt allen ihren Landschaften. Sobald wir aber unser Besitzergefühl auf ein paar Hektar Land beschränken, gehört uns von alledem nichts mehr. Nur wenn wir arm sind, können wir die Welt unser eigen nennen wie die Vögel den Himmel ihr eigen nennen und die Fische das Wasser und der heilige Franz alle irdischen Dinge.

Ernesto Cardenal, Das Buch von der Liebe. Vida en el amor. Aus dem Spanischen von Anneliese Schwarzer de Ruiz,
in: Ernesto Cardenal, Die Stunde Null, Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1980, 3. Auflage, 343f.

 

Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.

Art. 15, Satz 1, des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (bisher ist der Artikel noch nie angewandt worden)

 

PRIVATGRUNDSTÜCK
Betreten verboten!

 

Das Territorium der Wampis-Nation ist Gemeinschaftseigentum, niemand kann [es] an Fremde oder staatliche oder private Institutionen verkaufen.

Artikel 41 der Statuten der Wampis, einem indigenen Volk in Peru;
Quelle: Paul Codjia und Raphaël Colliaux, Die Wampis und das Gute Leben.
Ein indigenes Volk in Peru bildet staatliche Strukturen,
um die Natur zu schützen, Le Monde diplomatique, August 2018

 

Das Land gehört hier zu den Familien, und die Familien gehören zum Land. Das ist weniger ein Besitzverhältnis als eine Verbundenheit – eine weitere, nicht menschliche, im Beziehungsnetz von Tanah Papua.

Aus: Katharina Döbler, Vom Santani-See zum Nimburan. Unterwegs in West-Neuguinea,
in: Le Monde diplomatique, September 2023


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