INSPIRATION

 

Ich wurde nur wenige Male geschlagen. Und diese Schläge hätten nicht ausgereicht, mich den Hass zu lehren. Ich wusste immer ziemlich genau, wofür man mich schlug. (…) Aber ich hatte eine unbestimmte Ahnung, dass die Erwachsenen, die ich durch meine Taten herausforderte, nicht anders reagieren konnten. Die Welt, die wir Kinder uns gemacht hätten, hätte von ihrer nichts mehr bestehn lassen. Wenn sie Gewalt einsetzten, waren die Fronten klar. Sie mussten bei der Frage „entweder wir oder Ihr“ eine Entscheidung zu ihren Gunsten erzwingen. Die unendliche Gemeinheit lag nicht in der offenen Konfrontation, denn daran gab es nicht viel zu durchschauen, sondern in den hinterhältigen, langsam aber entsetzlich wirkenden Methoden. Die blauen Flecken der Schläge vergehn. Aber die Verheerungen, die sie dadurch anrichteten, dass sie die Bedürfnisse nach Freiheit, Liebe und Kreativität zerbrachen, sind nie mehr rückgängig zu machen.

Bernward Vesper, Die Reise. Romanessay, Ausgabe letzter Hand,
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 7. Auflage, Januar 2009, S. 340, Hervorhebung im Original

 

Ich glaube, wir Menschen haben immer, wenn wir der Unberührtheit und Unschuld unseres neugeborenen Kindes als Eltern gegenüberstanden, darin ein Wunder gesehen und Ehrfurcht und Verantwortung empfunden. Der Wunsch und der Drang, das Kind zu beschützen und zu lieben, und der Wille, ihm ein gutes Leben zu geben, steigen in uns auf wie bei einem inneren Sonnenaufgang, wobei es kaum eine Rolle spielt, wie unsere eigene Kindheit einmal gewesen ist und wie unzulänglich unser Dasein heute ist.

Jesper Juul, Das kompetente Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie.
Deutsch von Sigrid Engeler, Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg 1997, S. 276

 

Ein gesunder Narzissmus ist die Grundlage für erlebten Selbstwert und gelebtes Selbstvertrauen. Die empfundene Selbstliebe ist das Ergebnis durch Zuwendung, Einfühlung, Bestätigung und Befriedigung individueller Bedürfnisse erfahrener Liebe. Selbstliebe ist also in ihrem Ursprung von Fremdliebe abhängig. Das Kind braucht Eltern, die in der Lage und bereit sind, gemessen an den Bedürfnissen des Kindes, ausreichend Zeit für das Kind aufzubringen, sich in die Bedürfniswelt des Kindes einzufühlen und angemessen erfüllend und befriedigend auf die Äußerungen des Kindes zu antworten.

Hans-Joachim Maaz, Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm,
Verlag C. H. Beck, München 2012, 2. Auflage, S. 13

 

Vor allem wissen wir noch nicht, wie die Welt aussehen könnte, wenn Kinder ohne Demütigungen, von ihren Eltern als Menschen geachtet und erstgenommen, aufwachsen würden. Mir ist jedenfalls kein Mensch bekannt, der als Kind diese Achtung genossen und später als Erwachsener das Bedürfnis gehabt hätte, andere Menschen umzubringen.

Es fällt vielen Menschen sehr schwer, diese einfache Tatsache zu verstehen, dass nämlich jeder Verfolger einmal ein Opfer war. Dabei ist es doch sehr nahe liegend, dass ein Mensch, der sich von Kind auf frei und stark fühlen durfte, kein Bedürfnis hat, einen anderen zu erniedrigen.

Alice Miller, Am Anfang war Erziehung,
Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1983,
S. 208f. und S. 287, Hervorhebungen im Original

 

Ein Klaps hat noch jedem geschadet.

Elke Riedel-Schmelz vom Nürnberger Kinderschutzbund