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Rinderhaltung

 

Laut einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 16. Januar 2024 wurden in den Ställen oder auf den Weiden der rund 161.700 tierhaltenden Betriebe in Deutschland am Stichtag 1. März 2023 rund 10,9 Millionen Rinder, 22,4 Millionen Schweine, 1,8 Millionen Schafe sowie 162.600 Ziegen und 167,3 Millionen Stück Geflügel gehalten.

Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts vom 20. Dezember 2023 wurden zum Stichtag 3. November 2023 in deutschen Ställen 10,8 Millionen Rinder gehalten, davon 3,7 Millionen Milchkühe. Laut einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 3. April 2024 wurden zum Stichtag 1. März 2023 in Deutschland 949.300 Rinder ökologisch gehalten, 10 Prozent oder 88.000 Tiere mehr als im Jahr 2020. Der Anteil der ökologisch gehaltenen Rinder am gesamten Rinderbestand lag im Jahr 2023 bei 9 Prozent.

 

Vor 10.000 Jahren lebten in den europäischen Wäldern riesige Rinder mit ausladenden Hörnern: die Auerochsen. Dann begann der Mensch mit ihrer Domestizierung und schuf die Kuh. Durch Artenkreuzung passte er die Tiere im Lauf der Zeit seinen Bedürfnissen und Wünschen immer mehr an. Die industrielle Viehzucht entstand. Fortan wurden Fleischrinder und Milchkühe gezüchtet. Obwohl Rinder von Natur aus Gras fressen, bleibt den meisten von ihnen der Gang auf die Weide aus Zeit- und Kostengründen verwehrt (die ökologischen Landwirtschaftsverbände Bioland, Naturland und Demeter schreiben Weidegang vor, auch die EU-Öko-Verordnung sieht ihn vor). Die Milchproduktion verdreifachte sich innerhalb weniger Jahrzehnte.  Milchkühe müssen jährlich ein Kalb zur Welt bringen, das ihnen oft noch am selben Tag genommen wird.1,4 Millionen Milchkühe in Deutschland werden jedes Jahr frühzeitig geschlachtet. Die häufigsten Ursachen sind Lahmheit, Euterentzündungen und Fruchtbarkeitsstörungen. Ein Grund für die schmerzhaften Erkrankungen der Klauen und Gliedmaßen ist die permanente Stallhaltung auf oftmals glitschigen, verschmutzten Böden.

 

Kühe sind von Natur aus Weidegänger – der weiche Untergrund einer Wiese ermöglicht ihnen eine natürliche Gehweise, verringert das Verletzungsrisiko und befriedigt das Bedürfnis nach Bewegung. Doch der Auslauf im Freien ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Nicht einmal mehr die Hälfte der Milchkühe darf hierzulande noch auf die Weide. Laut einer am 21. März 2023 veröffentlichten Greenpeace-Analyse geht der Anteil der Milchkühe, die in Deutschland auf der Weide gehalten werden, seit Jahren zurück. Hatten im Jahr 2010 noch 42 Prozent der Rinder Zugang zur Weide, waren es zehn Jahre später nur noch 31 Prozent, das heißt, mehr als zwei Drittel der Tiere stehen das ganze Jahr über im Stall und haben keinen Auslauf. Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zufolge sind in Deutschland 1,1 Millionen Rinder in rund 28.300 landwirtschaftlichen Betrieben von der Anbindehaltung betroffen. In 61 Prozent dieser Betriebe werden Rinder nur in Anbindehaltung gehalten, in den anderen dürfen die Tiere zwischendurch auf die Weide. Laut einer am 18. März 2024 von Greenpeace veröffentlichten Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) Schweiz hatten im Jahr 2020 nur 30 Prozent der Milchkühe in Deutschland Weidezugang, und dies lediglich für knapp sechs Monate im Jahr. In Bayern werden zudem über 300.000 Milchkühe in Anbindeställen gehalten. Die Tiere sind dabei das ganze Jahr über mit einer Kette oder anderen Vorrichtungen am Hals an ihren Standplätzen oder in engen Boxen fixiert und können sich somit kaum bewegen. Die EU-Rechtsvorschriften für den ökologischen Landbau sehen für die Milchviehhaltung einen ständigen Zugang der Tiere zu Freigelände vor, vorzugsweise zu Weideland. In der Fütterung spielen Mais, Soja und Raps eine immer größere Rolle. Wie das Statistische Bundesamt am 21. Januar 2021 mitteilte, ist die Laufstallhaltung bei den Rindern weiter ausgebaut worden. Ihr Anteil an den Haltungsplätzen stieg im letzten Jahrzehnt von 75 auf 83 Prozent. Nur noch zehn Prozent aller Haltungsplätze befanden sich 2020 in Ställen mit Anbindehaltung. 52 Prozent der Betriebe mit Anbindehaltung praktizierten eine Kombination mit der Weidehaltung. Acht Prozent des gesamten Rinderbestandes in Deutschland wurden im Jahr 2020 ökologisch gehalten.

Den meisten Kühen werden innerhalb ihrer ersten sechs Lebenswochen die Hornansätze ausgebrannt – eine Betäubung ist dafür nicht vorgeschrieben: Ein 600 Grad heißes Brenneisen wird an die Wurzel des Horns gelegt und brennt binnen einiger Sekunden die umliegenden Nervenzellen schmerzhaft aus, um das Hornwachstum zu verhindern; zurück bleibt eine knochentiefe ringförmige Narbe, die oft wochenlang nicht verheilt. In Hessen ist am 26. Februar 2015 eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet worden, die vorsieht, dass Kälbern künftig vor der Enthornung ein Schmerz- und Beruhigungsmittel verabreicht wird.

Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg wurden Milchkühe züchterisch verändert und so mit Kraftfutter versorgt, dass sie in der Lage sind, ein Vielfaches an Milch zu produzieren als noch vor Jahren. Das Ergebnis: Hochleistungs- bzw. Turbokühe. Die Jahresmilchmenge hat sich seit 1960 auf im Schnitt 8000 Liter mehr als verdoppelt, gleichzeitig stellen Veterinäre jedoch immer mehr Erkrankungen bei den Tieren fest. Kritische Tierärzte sprechen in diesem Zusammenhang inzwischen von „Qualzucht“. Den Tieren würden Leistungen abverlangt, die sie auf Dauer nicht erbringen könnten. Milchhöchstleistungen gleichen einem täglichen Marathon und zehren an den Kräften der Tiere. Heute werden viele Milchkühe nach gerade einmal einem Viertel ihrer natürlichen Lebenserwartung, die 20 Jahre betragen würde, geschlachtet. Ausgelaugte Kühe enden krank im Schlachthof, nachdem sie gerade zweimal gekalbt haben. Ähnlich wie bei uns Menschen trägt die Kuh ihr Kalb neun Monate aus. Doch in der Milchviehhaltung werden die Kälber sofort oder wenige Stunden nach der Geburt von ihren Müttern getrennt. (Auf einigen Bio-Höfen dürfen die Kälber etwas länger bei ihren Müttern bleiben oder in den ersten Tagen bei ihnen saugen.)
Jährlich müssen in Deutschland bis zu 200.000 männliche Milchrasse-Kälber sterben, weil sich ihre Mast aufgrund des geringen Fleischansatzes nicht lohnen würde (Fleischatlas S. 40).

Nach Schätzungen der Bundestierärztekammer werden in Deutschland bis zu 180.000 trächtige Kühe pro Jahr geschlachtet. Die ungeborenen Kälber ersticken nach dem Tod der Kuh in der Gebärmutter. Laut Kai Braunmiller, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Schlachthofwesen und Veterinärdirektor, könne das Sterben bis zu 20 Minuten dauern.

 

Wie die Bundesregierung 2012 auf eine Kleine Anfrage der Grünen bestätigte, ist die Betäubung bei vier bis neun Prozent der Rinder und bei zehn bis zwölf Prozent der Schweine mangelhaft oder fehlt sogar ganz, so dass sie im kochend heißen Brühbad einen langsamen, qualvollen Tod erleiden.

 


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