Flucht und Vertreibung, Staatenlosigkeit: Information: Tatbestand
Tatbestand
Als Flüchtling definiert die Genfer Flüchtlingskonvention jede Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will“ (Art.1, Abs.2). Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR zählt als Gründe, warum sich Menschen auf die Flucht begeben, neben Krieg, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen und die Klimaveränderung auch den Hunger auf.
Wie aus dem am 12. Juni 2025 veröffentlichten Bericht „Global Trends“ des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hervorgeht, waren Ende April 2025 weltweit rund 122,1 Millionen Menschen vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht, gut zwei Millionen mehr als noch ein Jahr zuvor. Rund 60 Prozent sind Binnenvertriebene. Die größte Gruppe sind Sudanesen: Der Bürgerkrieg hat dort insgesamt 14,3 Millionen Menschen in die Flucht getrieben.
Laut einem am 13. Mai 2025 veröffentlichten gemeinsamen Bericht der Organisation Internal Displacement Monitoring Centre (IDMC) und des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC) haben bewaffnete Konflikte, Naturkatastrophen und die Verschärfung des Klimawandels im Jahr 2024 die Zahl der Binnenvertriebenen auf einen Rekordstand ansteigen lassen. Danach sind 83,4 Millionen Menschen in ihrem eigenen Land auf der Flucht gewesen. Dem Bericht zufolge erhöhte sich die Zahl der Binnenvertriebenen damit weltweit innerhalb von sechs Jahren um mehr als 50 Prozent. Ende 2023 hatte die Zahl bei 75,9 Millionen gelegen. Fast 73,5 Millionen Menschen und damit 90 Prozent der Binnenvertriebenen weltweit seien durch Konflikte und Gewalt vertrieben worden – ein Anstieg von 80 Prozent seit 2018.
„Die Mehrheit der Geflüchteten kommt gar nicht in der ersten Welt an, sondern bleibt im Globalen Süden, oft unter extrem prekären Bedingungen. Sie stellen dort auch eine große Belastung für die aufnehmenden Regionen dar, die damit destabilisiert werden. Wichtig ist daher auch erheblich mehr finanzielle Unterstützung für die UN-Flüchtlingshilfe und andere internationale Organisationen. Ziel muss es sein, dass die Lebensbedingungen an den Orten der Erstaufnahme so weit verbessert werden, dass keine weiteren Wanderungsgründe entstehen.“ (Birgit Glorius, Professorin für Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung an der Technischen Universität Chemnitz, in der Frankfurter Rundschau vom 15. Juni 2024)
Laut einem am 15. April 2025 veröffentlichten Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef über die Situation minderjähriger Flüchtlinge sind in den vergangenen zehn Jahren mindestens 3500 Kinder auf der Flucht über das Mittelmeer ums Leben gekommen oder verschollen – was einem Kind pro Tag entspricht. Die tatsächliche Zahl der verschwundenen Kinder liege jedoch „wahrscheinlich viel höher“.
Der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge sind im Jahr 2024 weltweit mindesstens 8938 Menschen auf der Flucht ums Leben gekommen – so viele wie noch nie, seit die IOM im Jahr 2024 mit der Erhebung begonnen hat. In Asien starben mindestens 2778 Migrant:innen, an zweiter Stelle folgt das Mittelmeer mit 2452 Toten. Am 26. März 2024 gab die IOM bekannt, dass in den vergangenen zehn Jahren rund 63.000 Menschen weltweit auf Migrationsrouten ums Leben gekommen sind, darunter fast 5.500 Frauen und 3.500 Kinder.
Das weltweit größte Flüchtlingslager Kutupalong befindet sich im südöstlichen Bangladesch nahe der Stadt Cox’s Bazar an der Grenze zu Myanmar. Seit Jahren leben dort fast eine Million Rohingya, eine muslimische Minderheit, die eigentlich in Myanmar heimisch ist, von dort aber systematisch vertrieben wird.
43,3 Millionen Kinder waren Ende 2022 weltweit auf der Flucht – doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Dies teilte das Kinderhilfswerk Unicef am 20. Juni 2023 mit. Viele von ihnen seien während ihrer gesamten Kindheit vertrieben gewesen. Zwischen 2015 und 2021 mussten laut einer am 5. Oktober 2023 veröffentlichten Studie des Kinderhilfswerks Unicef und der NGO Internal Displacement Monitoring Centre mehr als 43 Millionen Minderjährige ihre Heimat verlassen. In etwa 95 Prozent der Fälle sind Überschwemmungen und Stürme dafür verantwortlich, in den übrigen Feuer und Dürren. In absoluten Zahlen gemessen wurden auf den Philippinen fast zehn Millionen Betroffene gezält, in Indien und China jeweils um die 6,5 Millionen. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung waren Kinder in kleinen Inselstaaten wie Dominica und Vanuatu am stärksten von Stürmen betroffen, in Somalia und im Südsudan von Überschwemmungen.
Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes veröffentlichte am 29. November 2023 die Studie „Vor Mauern und hinter Gittern. Wie Kinder und Jugendliche an den Außengrenzen der EU rechtswidrig zurückgeschoben und inhaftiert werden“. Die Zahl der Fälle sei sogar gestiegen.
Wie aus einem am 28. Juni 2019 veröffentlichten Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hervorgeht, sind weltweit seit 2014 im Schnitt rund 320 Kinder und Jugendliche pro Jahr im Zusammenhang mit Migration gestorben oder werden vermisst. Zwischen 2014 und 2018 waren es insgesamt fast 1600 Flüchtlinge unter 18 Jahren. Hinzu kommen laut der IOM zahlreiche Fälle, die nirgends registriert wurden. Auch Kinder, die in Abschiebehaft sterben, sind in dieser Zahl noch nicht berücksichtigt. Die IOM veröffentlicht bekannt gewordene Tode auf dieser Website.
Wie aus dem am 23. Oktober 2023 in Paris vorgestellten Migrationsausblick der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung “ (OECD) hervorgeht, erreichte die Zahl der Asylanträge in der OECD mit zwei Millionen im Jahr 2022 ein Rekordhoch. Die meisten Asylbewerber:innen kamen aus Venezuela, Kuba, Afghanistan und Nicaragua.
EUROPA: Die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) hat im Jahr 2024 in den 27 EU-Mitgliedstaaten sowie in Norwegen und der Schweiz insgesamt 1,014 Millionen Asyl-Erstanträge registriert. Die meisten Schutzsuchenden kamen aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Venezuela und der Türkei.
Wie das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg am 25. April 2025 mitteilte, erhielten im Jahr 2024 in der EU 437.000 Personen eine Anerkennung ihres Schutzstatus. Fast die Hälfte von ihnen stammte entweder aus Syrien (32,3 Prozent) oder Afghanistan (16,5 Prozent).
Der Ministerrat der EU-Staaten hat am 14. Mai 2024 in Brüssel nach jahrelanger Debatte den Umbau des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) besiegelt. Geplant sind einheitliche Grenzverfahren. Menschen, die aus Ländern kommen, die als eher sicher gelten, sollen unter haftähnlichen Bedingungen untergebracht werden, Schnellverfahren durchlaufen und auch in Drittstaaten abgeschoben werden können. Während der Verfahren gelten die Menschen juristisch als „nicht eingereist“. In vier Jahren sollen 120.000 Lagerplätze schaffen. Anerkannte Asylbewerber sollen verteilt werden, Länder, die nicht zur Aufnahme bereit sind, sollen zahlen. In zwei Jahren müssen die Beschlüsse in nationales Recht umgesetzt sein. Diese Reform stellt eine Zäsur in der Geschichte des europäischen Asylrechts dar. Der inidividuelle Rechtsanspruch auf Asyl wird weitgehend abgebaut.
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sind im Jahr 2025 in DEUTSCHLAND 250.945 Asylanträge gestellt worden, davon 229.751 Erstanträge – ein Rückgang von mehr als 30 Prozent. Die wichtigsten Herkunftsländer waren Syrien, Afghanistan, Türkei, Irak und Iran.
Die Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) hat im Jahr 2024 in Deutschland etwa 237.000 Asyl-Erstanträge registriert.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ lebten Ende 2024 rund 3,45 Millionen Flüchtlinge in Deutschland, teils seit Jahrzehnten. Davon kamen 2024 ca. 124.000 neu hinzu. 2023 waren es noch 270.000 und 2022, als Russland seinen Angriff auf die Ukraine begann, sogar 1,2 Millionen.
Bemerkentswert sind die hohe Empathie und Anteilnahme von Kindern für Menschen, die von Flucht und Vertreibung betroffen sind. „Kinder sind sensibel für Flucht, Armut, Terrorismus und Krieg“, so das Fazit einer am 15. Februar 2018 in Berlin vorgestellten, im Auftrag der Hilfsorganisation World Vision erstellten Studie zum Umgang von Kindern mit dem Thema Flucht und ihre Einstellung zu Menschen, die in Deutschland Schutz und Asyl suchen.
Am 21. März 2017 stellte Unicef unter dem Titel Kinder im Wartezustand eine neue Studie zu geflüchteten Kindern und Jugendlichen in Deutschland vor.
Am 29. August 2023 hat das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Kinderhilfswerk Unicef Deutschland die Studie „Das ist nicht das Leben. Perspektiven von Kindern und Jugendlichen in Unterkünften für geflüchtete Menschen“ vorgelegt. Sie lässt Kinder und Jugendliche selbst zu Wort kommen und gibt dadurch einen unmittelbaren Einblick in ihre Lebensrealitäten.
Die Aufenthaltsbedingungen in Anker-Zentren ignorieren die Bedürfnisse von Kindern und schaden ihrer Integration. Dies ist das Ergebnis einer von Terre des Hommes beauftragten Recherche in Anker-Zentren in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen, die unter dem Titel „Kein Ort für Kinder. Zur Lebenssituation von minderjährigen Geflüchteten in Aufnahmeeinrichtungen“ am 19. Juni 2020 zum Weltflüchtlingstag veröffentlicht wurde. Das Ergebnis ist eindeutig: Aufnahmeeinrichtungen und Anker-Zentren sind kein Ort für Kinder.
Am 15. November 2016 wurde der erste Teil einer ersten repräsentativen Befragung von seit 2013 nach Deutschland eingereisten Geflüchteten vorgestellt, die das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung durchgeführt hat. Die Studie hat u.a. erstmals konkrete empirische Aussagen generiert, aus welchen Gründen Menschen aus ihren Heimatländern fliehen.
Wissenschaftler unter anderem der Charité haben erstmals ausführlich die Situation weiblicher Flüchtlinge in Deutschland untersucht. Die Study on Female Refugees wurde am 21. März 2017 in Berlin vorgestellt.
In Deutschland leben bis zu einer Million Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus, vielleicht auch mehr, keiner weiß es genau; die meisten von ihnen kommen aus Westafrika und den Balkanstaaten. In den USA leben nach Schätzungen rund elf Millionen Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus. Etwa die Hälfte sind Mexikaner.
Die UN-Migrationsorganisation IOM versucht unter dem Stichwort „Missing Migrants Project“ mit Karten die Anzahl der auf der Flucht gestorbenen oder als vermisst gemeldeten Menschen nachzuverfolgen. Seit dem Jahr 2014 sind es 66.710 Menschen weltweit (Stand Juni 2024)!
Mission EineWelt, Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Mission der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, hat zum Thema „Flucht und Migration“ eine eigene Website entwickelt.
SÜDWIND hat 2016 vier neue Fact-Sheets zu „Migration, Flucht und Entwicklung“ herausgegeben.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stieg der Auswanderungsdruck jüdischer Bürger aus dem nunmehr „Großdeutschen Reich“. In der Folge schlossen alle Nachbarstaaten ihre Grenzen für Juden. In einer von den USA initiierten Konferenz zur Frage der Aufnahme jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland vom 6. bis 15. Juli 1938 im französischen Évians-sur-Bains am Genfer See, an der 32 Staaten teilnahmen, war kein einziger dieser Staaten bereit, Juden aus Deutschland aufzunehmen. Die Konferenz wurde ergebnislos beendet. Zu einer Zeit, als die Auswanderung von Juden aus Deutschland noch möglich gewesen wäre, blieben ihnen die Grenzen verschlossen.