Friedens- und Glaubensgespräche inmitten der feindlichen Heere

Der Heilige Franziskus versucht während des 5. Kreuzzugs Frieden zu vermitteln

 

In allen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt es früher oder später zu Vermittlungsversuchen. Aktuell ist das, beispielsweise, wieder zu beobachten in dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und im syrischen Bürgerkrieg. Solche Bemühungen verlaufen gewöhnlich nach diplomatischen Ritualen. Die streitenden Parteien treffen sich mit den Vermittlern an neutralen Orten zu Verhandlungen, in aller Regel aber erst dann, wenn bestimmte Bedingungen beider Seiten erfüllt sind.

Eine Friedensmission  direkt auf dem Schlachtfeld sozusagen ist hingegen eine Seltenheit! Eine solche versuchte  Franz von Assisi  im Jahr 1219. Aufgrund eines Beschlusses seiner gerade einmal zehn Jahre alten  Ordensgemeinschaft wanderte er im Sommer 1219 mit Gefährten nach Ancona und schiffte sich dort nach Ägypten ein. Im Nildelta hatte das Kreuzfahrerheer seit 1218 die Stadt Damiette belagert und im November 1219 schließlich eingenommen. Franz wandte sich zunächst an die Kreuzritter, von deren Grausamkeit er schockiert war. Gewalt im Namen Gottes bezeichnete er als gottlos, erntete jedoch im christlichen Heer nur Spott und Hohn. Daraufhin wagte er sich mit einem Ordensbruder ins muslimische Heerlager.

Dort wurde er als Gefangener  von Sultan Muhammad al-Kamil wohlwollend aufgenommen, möglicherweise weil die beiden in ihrem Auftreten und ihrer Kleidung islamischen Sufi-Mystikern ähnelten. Es kam zu mehrtägigen Gesprächen zwischen Franziskus und dem Sultan, dieser hatte vermutlich darauf gehofft, dass der Bettelmönch einen Frieden würde aushandeln können. Dazu kam es nie, dennoch entstand eine freundschaftliche Beziehung zwischen den beiden, die sie prägte. Der Sultan erlaubte Franz sogar, in seinem Reich das Christentum zu predigen. Während seines Aufenthalts im islamischen Feldlager lernte Franz die tiefe Frömmigkeit und den Glauben der Muslime an den einen Gott kennen – eine Erfahrung, die sich eindrücklich von der christlichen Kriegspropaganda über den Islam und seine Anhänger unterschied.

Frieden zu stiften scheint nicht das erste und einzige Ziel des Franziskus gewesen zu sein. Nach dem Bericht von Bonaventura, dem späteren Generalminister des Franziskanerordens (1221–1274), ging Franz mit dem Ziel nach Ägypten, vor dem Sultan zu predigen und ihn zum christlichen Glauben zu bekehren. Wie auch immer, die Begegnung des christlichen Bettelmönchs mit dem muslimischen Herrscher mitten im Krieg wirkte auf beide nachhaltig.

Franz nimmt wahr, dass auch der Sultan aufrichtig um den wahren Glauben ringt und erkennt, dass Gottesliebe auch außerhalb des Christentums geübt wird. Die muslimische Anrufung Gottes mit 99 Namen inspiriert Franz zu eigenen Gebeten, in denen Gott in vielen Namen gepriesen wird. Die regelmäßigen Gebetszeiten der Muslime werden zum Vorbild für das Angelusgebet.

Das historische Treffens vor 800 Jahren, das vom Vatikan als „die vielleicht wichtigste interreligiöse Begegnung überhaupt“ bezeichnet wurde,  gilt als der historische Hintergrund der Reise von Papst Franziskus im Februar in die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch in der muslimischen Welt wurde der Begegnung zwischen dem Heiligen Franziskus und dem Sultan Malik al-Kamil mit verschiedenen Veranstaltungen gedacht, so beispielsweise in Jerusalem, Damiette und sogar in Lahore/Pakistan.

Das Bundesfinanzministerium hat zur Begegnung von Bettelmönch und Sultan eine Sondermarke der Deutschen Post zu 0,95 € (Kompaktbrief) herausgegeben. Eine schöne Gelegenheit für Christen und ihre Gemeinden, auf ein frühes „Vorbild für interreligiösen Dialog und gegenseitiges Verständnis“ (P. Francis Nadeem) und zudem auf das Wagnis des Friedensstiftens aufmerksam zu machen

Veit Schäfer, Karlsruhe, veröffentlicht in: Christen heute. Zeitschrift der alt-katholischen Kirche für Christinnen und Christen heute, Januar 2020

 

 

 

 


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