Zum Nakba-Tag

Palästinenser gedenken der Nakba („Katastrophe, Unglück“) jährlich am 15. Mai, dem Tag nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948, als Tag der Nakba, während in Israel und in vielen jüdischen Gemeinden der Diaspora das gleiche Ereignis nach dem jüdischen Kalender als Nationalfeiertag Israels gefeiert wird.

Al-Nakba, arabisch für Katastrophe, bezeichnet das erzwungene Ende angestammter palästinensischer Existenz in jenen drei Viertel des historischen Palästinas, die zu Israel wurden. Mit den Waffenstillständen Anfang 1949 nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg hatte Israel anstatt der vom Teilungsplan vorgesehenen 56 Prozent 78 Prozent des ehemaligen britischen Mandatsgebiets unter seine Kontrolle gebracht. Insgesamt etwa 750.000 Palästinenser:innen sind nach der sogenannten Teilungsresolution 181 (II) durch die Vereinten Nationen am 29.11.1947 und dem Frühjahr 1949 geflohen oder vertrieben worden. Damit hatten mehr als 80 Prozent der einheimischen palästinensischen Bevölkerung ihre Heimat im heutigen israelischen Staatsgebiet verloren. Das Land der Flüchtlinge, ihre Immobilien, ihre Betriebe, Plantagen und Bankguthaben wurden entschädigungslos enteignet. Von den 150.000 in ihrer Heimat gebliebenen Palästinenser:innen waren etwa 30.000 bis 40.000 interne Flüchtlinge. Sie alle lebten bis 1966 unter Militärrecht. 70 Prozent ihres Landbesitzes wurde enteignet.

Öffentliches Gedenken an die Vertreibungen steht in Israel unter Strafe. Seit 2011 riskieren staatlich bezuschusste Organisationen in Israel eine Geldstrafe, wenn sie den palästinensischen Gedenktag der Vertreibung begehen.

„Die genaue Zahl der aus dem vormaligen Mandatsgebiet geflohenen und vertriebenen Palästinenser*innen ist unklar. Die Vereinten Nationen schätzen 726.000, die britische Regierung nennt 810.000. (…) Die Zahl der vertriebenen Palästinenser*innen ist seither aufgrund des natürlichen Bevölkerungswachstums und späterer Kriege mit weiteren Vertreibungen gestiegen. Bis Ende 2018 zählten etwa 8,7 Millionen der weltweit 13 Millionen Palästinenser*innen zu den Vertriebenen. Das sind zwei Drittel. Zu ihnen gehören 6,7 Millionen Geflüchtete aus dem Jahr 1948 und ihre Nachkommen einschließlich der 5,5 Millionen, die beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) registriert sind. Hinzu kommen weitere 1,24 Millionen Geflüchtete aus dem Jahr 1967 und ihre Nachkommen, 416.000 intern Vertriebene in Israel und 345.000 Binnenvertriebene in den besetzten palästinensischen Gebieten. Zusammen stellen sie eines der größten und am längsten dauernden Geflüchtetendramen der Welt dar.“ (Atlas der Staatenlosen. Daten und Fakten über Ausgrenzung und Vertreibung, 2020, ein Projekt der Rosa-Luxemburg-Stiftung, S. 30) 200.000 Palästinenser:innen leben in Deutschland, mehr als anderswo in Europa, allein in Berlin 40.000. (Charlotte Wiedemann, Den Schmerz der anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis, Berlin 2022, S. 240)

Der Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“ will Verständnis für die Anliegen der Palästinener:innen wecken und hat die Ausstellung „Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ entwickelt.

  • Erinnerungsverbot? Die Aussstellung „Al Nakba“ im Visier der Ggenaufklärung. Herausgegeben von Wolfgang  Benz, Metropol-Verlag, Berlin 2023

Die jüdisch-israelische Initiative Zochrot („Wir erinnern“, und zwar in der weiblichen Form) setzt sich seit 2002 dafür ein, dass die Vertreibungen und Zerstörungen in Erinnerung bleiben, der israelische Staat für sie Verantwortung übernimmt und Wiedergutmachung leistet. „Zochrots langfristige Vision ist ein gleichberechtigtes Zusammenleben von jüdischen Israelis und Palästinensern; eine veränderte Erinnerung soll helfen, ‚den politischen Horizont für eine nicht-koloniale jüdische Existenz zu kartieren‘.“ (Charlotte Wiedemann, Den Schmerz der anderen begreifen. Holocaust und Weltgedächtnis, Berlin 2022, S. 236)

 


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