Zum 8. November 1939

Georg Elser verübt im Münchner Bürgerbräukeller ein Attentat auf Adolf Hitler.

„Elser war parteilos, ein Einzelgänger, der sich im Wanderverein und von 1926 bis zum Verbot 1933 bei den Naturfreunden in Konstanz, unter politisch Gleichgesinnten, heimisch fühlte. Die Naturfreunde waren in ihrer großen Mehrheit standhafte Gegner von Kriegspolitik und Faschismus. Elser verweigerte den Hitlergruß, wurde Mitglied im Rotfront-Kämpferbund. Der Schreinergeselle von der schwäbischen Alb wollte, wie er seinem Freund Eugen Rau anvertraute, die ‚Regierung in die Luft sprengen, da Deutschland sonst keine Zukunft“ hätte. Er wollte, wie in den Vernehmungsprotokollen der Gestapo zu lesen ist, ‚den Krieg verhindern‘.
Dafür hat Elser, das moralische Gegenstück zu den Nazis, alles gewagt: 200 Pulverpressstücke an seiner Arbeitsstelle in Heidenheim geklaut, dort gekündigt und als Hilfsarbeiter in einem Steinbruch gearbeitet, um an Sprengstoff zu kommen, und sich in mehr als 30 Nächten unerkannt in München im Bürgerbräukeller einsperren lassen, um nachts, jedes Mal wenn die Wasserspülung lief, die Säule hinter dem Rednerpult mit einem Meißel auszuhöhlen, um dort die Bombe zu platzieren. Die Bombe explodierte um 21.20 Uhr im Bürgerbräukeller, wo sich alljährlich die ‚Alten Kämpfer‘ trafen. Die Explosion hätte Hitler und seinen engsten Zirkel – Goebbels, Hess, Himmler, Heydrich, Rosenberg und Streicher – getötet, wäre nicht an diesem Abend in München dichter Nebel gewesen
Um kein Risiko einzugehen, verließ Hitler deshalb unerwartet früh um 21.07 Uhr den Veranstaltungsort, um einen Sonderzug nach Berlin zu nehmen, statt am nächsten Morgen das Flugzeug. Dadurch ging das dort seit November 1938 sorgfältig geplante Attentat schief. Der Sprengsatz explodierte wie geplant, aber dreizehn Minuten zu spät. Dreizehn Minuten, diese kurze Zeitspanne machte Georg Elser zu einem tragischen Helden. Fast zeitgleich zu dem Attentat wird er an der Schweizer Grenze von zwei Zollbeamten festgehalten und der Geheimen Staatspolizei übergeben. Als persönlicher Gefangener Hitlers kam er in die KZ Sachsenhausen und Dachau, wo er auf dessen Befehl kurz vor Kriegsende durch Genickschuss getötet wurde.“ (Aus: Michael Müller, Die Unfähigkeit zu trauern. Gastbeitrag in: Frankfurter Rundschau vom 8./9. November 2014)

Landesbischof Meiser ordnete für den Sonntag nach dem gescheiterten Attentatsversuch des schwäbischen Schreiners Georg Elser an, in der Fürbitte der Rettung Adolf Hitlers zu gedenken: „Wir danken Dir, dass Du in einer Stunde ernster Gefahr Deine schützende Hand über den Führer unseres Volkes gehalten hast. Wir bitten Dich von Herzen, Du wollest ihn auch weiter in Deinen gnädigen Schutz nehmen und ihn täglich zu seinem schweren Werk ausrüsten mit Kraft aus der Höhe.“

Pfarrer Martin Niemöller beförderte nach dem Krieg das Gerücht, Elser sei ein SS-Mann gewesen, der im Auftrag  des Regimes gehandelt habe. Erst nach der Entdeckung der Gestapo-Verhörprotokolle 1964 wurde Elser als Widerständler und Einzeltäter gewürdigt. Und erst 1998 wurde in seinem Heimatort Königsbronn eine Gedenkstätte eingerichtet.

„Georg Elser war ein Held“, meinte der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann in einem Radiogespräch. „Er ist viel zu wenig bekannt. Und wenn das Attentat auf Hitler geklappt hätte, hätte dieser einzige Mann – Georg Elser – den Zweiten Weltkrieg mit 50 Millionen Toten vielleicht verhindern können.“ „Elser war das wandelnde schlechte Gewissen, der Beleg dafür, dass ein einfacher Mann, der nur Zeitung gelesen hat, voraussehen konnte, dass Hitler Krieg bedeutete – und etwas dagegen unternahm.“ (Hella Schlumberger, Sprecherin der Elser-Initiative in München). „Während Generäle und führende Beamte darüber nachdachten, ob sie handeln durften und konnten, es ihnen jedoch an Willen und Entschlossenheit fehlte, handelte ein Mann ohne Zugang zu den Korridoren der Macht, ohne politische Verbindungen, ohne eine strikte Ideologie: ein schwäbischer Schreiner namens Georg Elser.“ (Ian Kershaw, englischer Historiker). „Georg Elser war eine Herausforderung. Er machte deutlich, dass ein einfacher Mann aus dem Volke sich zu einer weltgeschichtlichen Tat aufraffen konnte. Er strafte all jene Lügen, die sich weiterhin einredeten, sie hätten dem Terror des NS-Staates nichts entgegensetzen können“, konstatieren die Historiker Peter Steinbach und Johannes Teichel.

Informationen über Georg Elser finden Sie zum Beispiel hier.

Von der Bremer Friedensgemeinde wird alle zwei Jahre der Georg-Elser-Preis für Zivilcourage an Menschen verliehen, die sich laut der Bremer Elser-Initiative „durch Zivilcourage, zivilen Ungehorsam und unerschrockenes Handeln gegen die herrschende Staatsgewalt hervorgetan haben“. Seit 2013 wird der Preis von der Landeshauptstadt München verliehen.

Details

 

Literatur:

  • Hellmut G. Haasis, »Den Hitler jag‘ ich in die Luft« Der Attentäter Georg Elser. Biografie, neue überarbeitete Ausgabe, Edition Nautilus, Hamburg 2009
  • Peter Steinbach, Johannes Tuchel, Georg Elser. Der Hitler-Attentäter, BeBra Verlag, Berlin 2010
  • Helmut Ortner, Der einsame Attentäter. Georg Elser – Der Mann, der Hitler töten wollte, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013
  • Wolfgang Benz, Allein gegen Hitler. Leben und Tat des Johann Georg Elser, C.H. Beck Verlag, München 2023

Film:

  • „Elser – Er hätte die Welt verändert“ (Regie: Oliver Hirschbiegel, 2015)
  • „Georg Elser – der einsame Widerstandkämpfer“ (Regie: Monika Manoutschehri, 2019)

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