Zum 6. März 1984

„Ein Mann zwischen allen Stühlen: Preußisch bis zur Halskrause der U-Boot-Kommandant im ersten Weltkrieg, der sich weigert, nach der Niederlage Schiffe an den Feind auszuliefern. Er wird Pastor, führt seit 1933 den ‚Pfarrernotbund’ und wettert gegen die Umsetzung des Arierparagraphen. Seine Predigten sind ein Politikum ersten Ranges: vor seiner Verhaftung 1937 sind vierzig Gerichtsverfahren wegen ‚Kanzelmissbrauchs’ gegen ihn anhängig. Die Konzentrationslager von Dachau und Sachsenhausen überlebt er sieben lange Jahre als persönlicher Gefangener Hitlers. Als die Amerikaner den prominent-renitenten Widerständler 1945 weiter internieren wollen, tritt er in den Hungerstreik. Er sei kein Politiker, erklärt Niemöller, aber stets ein politisch denkender Mensch, was u.a. zur Abfassung der ‚Stuttgarter Schulderklärung’ der evangelischen Kirche vom Oktober 1945 führt. Der Gründung der BRD und der Teilung Deutschlands steht er höchst ablehnend gegenüber und hält unbeirrt Kontakt zu den Christen in der DDR. Als einer der Präsidenten des Weltkirchenrats wird er für seine zahlreichen Reisen in den Osten als Handlanger Moskaus diffamiert. Nicht minder skandalträchtig ist seine Begegnung mit Ho-Tschi-Minh 1966 in den ersten Jahren des Vietnam-Krieges. Der Ostermarschierer bezeichnet den Krieg als ‚die Verneinung aller Menschenwürde’. Die Vaterfigur der bundesdeutschen Friedensbewegung ist Musterbeispiel für Zivilcourage und Verständigung. ‚Ich habe mich von einem sehr konservativen Menschen zu einem fortschrittlichen Menschen und am Schluss zu einem revolutionären Menschen entwickelt.’ (Martin Niemöller)“ (Hannes Karnick, Wolfgang Richter, Rebell wider Willen – Das Jahrhundert des Martin Niemöller [Absolut Medien, Video bzw. DVD]).

Nach dem Krieg beförderte Martin Niemöller das Gerücht, Georg Elser, der am 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein Attentat auf Adolf Hitler verübt hat und am 9. April 1945 im Konzentrationslager Dachau auf dessen Befehl durch Genickschuss getötet wurde, sei ein SS-Mann gewesen, der im Auftrag  des Regimes gehandelt habe. Erst nach der Entdeckung der Gestapo-Verhörprotokolle im Jahr 1964 wurde Elser als Widerständler und Einzeltäter gewürdigt.

Literatur:

  • Martin Niemöller, Gewissen vor Staatsräson. Ausgewählte Schriften. Herausgegeben von Joachim Perels. Mit einem Nachwort von Martin Stöhr, Wallstein Verlag, Göttingen 2016
  • Michael Heymel, Martin Niemöller. Vom Marineoffizier zum Friedenskämpfer, Verlag Lambert Schneider, Darmstadt 2017
  • Martin Niemöller, Gedanken über den Weg der christlichen Kirche, herausgegeben von Alf Christophersen und Benjamin Ziemann, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2019
  • Benjamin Ziemann, Martin Niemöller. Ein Leben in Opposition, Deutsche Verlagsanstalt, München 2019

 

Zur Erinnerung an Julius Rumpf wird seit 2000 von der Martin-Niemöller-Stiftung der von Ingrid und Günther Rumpf gestiftete „Julius-Rumpf-Preis“ verliehen. Mit ihm werden Personen und Gruppen ausgezeichnet, die „in sinnvollen Projekten Strukturen der Toleranz und der gewaltfreien Konfliktlösung, der Mitmenschlichkeit und der Versöhnung“ aufbauen. Die Auszeichnung erinnert an den Wiesbadener Pfarrer Julius Rumpf (1874–1948), der sich im Nationalsozialismus gegen die Gleichschaltung der Kirchen wandte.


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