Zum 4. September 1965

Einige Zitate Albert Schweitzers:

Die Weltanschauung der Ehrfurcht vor dem Leben hat religiösen Charakter. Wer sich zu ihr bekennt und sie vorlebt, ist auf elementare Weise fromm.

Alles, was lebt, soll mit Ehrfurcht behandelt werden, unabhängig von der sogenannten Leistung.

Langsam krochen wir den Strom hinauf, uns mühsam zwischen den Sandbänken – es war trockene Jahreszeit – hindurchtastend. Geistesabwesend saß ich auf dem Deck des Schleppkahnes, um den elementaren und universellen Begriff des Ethischen ringend, den ich in keiner Philosophie gefunden hatte. Blatt um Blatt beschrieb ich mit unzusammenhängenden Sätzen, nur um auf das Problem konzentriert zu bleiben. Am Abend des dritten Tages, als wir bei Sonnenuntergang gerade durch eine Herde Nilpferde hindurchfuhren, stand urplötzlich, von mir nicht geahnt und nicht gesucht, das Wort „Ehrfurcht vor dem Leben“ vor mir. Das eiserne Tor hatte nachgegeben; der Pfad im Dickicht war sichtbar geworden. Nun war ich zu der Idee vorgedrungen, in der Welt- und Lebensbejahung und Ethik miteinander enthalten sind! Nun wusste ich, dass die Weltanschauung ethischer Welt- und Lebensbejahung samt ihren Kulturidealen im Denken begründet ist.
(Aus: „Aus meinem Leben und Denken“, 1931)

Es ging mir auf, dass die Ethik, die nur mit unserem Verhältnis zu den anderen Menschen zu tun hat, unvollständig ist und darum nicht die völlige Energie besitzen kann. Solches vermag nur die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben. Durch sie kommen wir dazu, nicht nur mit Menschen, sondern mit aller in unserem Bereich befindlichen Kreatur in Beziehung zu stehen und mit ihrem Schicksal beschäftigt zu sein. Klar war mir alsbald, dass diese elementare völlige Ethik eine ganz andere Tiefe, eine ganz andere Lebendigkeit, eine ganz andere Energie besitze als die sich nur mit dem Menschen abgebende. Durch die Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben gelangen wir in ein geistiges Verhältnis zum Universum. Ethisch ist er, der Mensch, nur, wenn ihm das Leben als solches heilig ist, das der Menschen und das aller Kreatur.

Jeder Mensch ist zu Mitgefühl fähig, ist in der Lage, eine humanitäre Einstellung zu entwickeln. Das Mitgefühl steckt in uns allen. Ich vergleiche es mit einem Zündholz, das lediglich auf den Funken wartet, der es entflammen kann. Jeder Mensch kann ein Lambarene haben. Er braucht nur ein Herz.
(Abschluss der Rede Albert Schweitzers mit dem Titel „Das Problem des Friedens in der heutigen Welt“ am 4. November 1954 in Oslo anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises)

Lassen Sie sich nicht täuschen, Sie werden nicht arm in Ihrem Leben: Sie sollten wissen, dass Sie, um zu leben, den Reichtum des Herzens brauchen werden. Werden Sie keine Skeptiker; seien Sie Leute, die nach Idealen suchen. Das Leben wird versuchen, Ihnen diese Ideale zu nehmen, halten Sie deshalb an ihnen fest. Sie werden sie verteidigen müssen, und Sie werden in Gefahr sein, sich im Leben nur von äußerlichen Gedanken leiten zu lassen. Lassen Sie das nicht zu, nie. Ich sage Ihnen, dass Sie Ideale brauchen, und ich sage Ihnen gleichzeitig, dass Sie dienen müssen. Sie werden arm im Leben sein, wenn Sie nur daran denken, wie Sie erfolgreich sein können: Der wirkliche Zweck des Lebens ist dienen, für andere da sein, zu verwirklichen helfen, was verwirklicht werden sollte.

In dieser Zeit, wo Gewalttätigkeit in Lüge gekleidet so unheimlich wie noch nie auf dem Throne der Welt sitzt, bleibe ich dennoch überzeugt, dass Wahrheit, Liebe, Friedfertigkeit, Sanftmut und Güte die Gewalten sind, die über aller anderen Gewalt stehen. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe, der Wahrheit und der Friedfertigkeit rein und stark und stetig genug denken und leben.

Das Wenige, das du tun kannst, ist viel.

 

Das Deutsche Albert-Schweitzer-Zentrum (DASZ) in Frankfurt am Main hält die Erinnerung an Albert Schweitzer wach.

 

Literatur:

  • Nils Ole Oermann, Albert Schweitzer (1875–1965). Eine Biographie, Verlag C.H.Beck, München 2009
  • Matthieu Arnold, Albert Schweitzer. Seine Jahre im Elsass (1875–1913), Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2019

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