Zum 29. Dezember 1996

Damit kam ein langwieriger Verhandlungsprozess zu einem Abschluss, der mit der Osloer Vereinbarung von 1990 begonnen hatte. Die URNG wurde als politische Partei zugelassen. „Frieden darf nicht einzig und allein von denen abhängen, die eine Auseinandersetzung vom Zaun brechen. Der Friedensprozess muss für möglichst viele Menschen zum Anliegen werden. Es ist das Volk, das dem Krieg in Guatemala ein Ende bereitet hat… Wir, die Guatemalteken, haben die kämpfenden Parteien gezwungen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und den Krieg nicht länger zu einem Mittel der Politik zu machen. Die Abkommen, die daraufhin geschlossen wurden, waren nicht einfach eine Vereinbarung, an die sich eine der Parteien halten muss. Friedensabkommen müssen notwendigerweise von der zivilen Gesellschaft mitgetragen werden und dürfen sich nicht allein auf die streitenden Parteien beschränken.“ (Rigoberta Menchú, zitiert aus: Worte des Friedens. Weisheiten von Friedensnobelpreisträgern, herausgegeben von Bernhard Baudouin, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2005, S. 80f.)

Der Friedensschluss sollte nicht nur den Bürgerkrieg beenden. Die Konfliktparteien vereinbarten auch, die strukturellen Ursachen des Konflikts zu beheben. Die Gesellschaft sollte umfassend demokratisiert, die ausgeschlossenen indigenen Bevölkerungsgruppen wirtschaftlich und sozial integriert werden. Doch schon wenige Jahre nach der Aufbruchsstimmung machte sich Ernüchterung breit.

Der guatemaltekische Bürgerkrieg war eine der brutalsten Auseinandersetzungen Lateinamerikas. In dem fast vier Jahrzehnte währenden Feldzug wurden zwischen 1960 und 1996 rund 200.000 Menschen getötet, vor allem Maya und andere Ureinwohner. 45.000 Linke oder andere Oppositionelle wurden verschleppt, 5.000 Kinder entführt. Eine Wahrheitskommission unter Leitung des Berliner Völkerrechtlers Christian Tomuschat befand, dass für 93 Prozent der Gräueltaten an der Zivilbevölkerung die Streitkräfte oder die Todesschwadronen verantwortlich seien. Die übrigen Taten gehen auf das Konto der Guerilla.

Während des guatemaltekischen Bürgerkriegs von 1960 bis 1996 verschwanden Tausende Menschen für immer, wurden verschleppt oder getötet. Erst 2012 gelang es einer Gruppe von Angehörigen der Opfer, den Staat Guatemala in einem aufsehenerregenden Prozess vor dem interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof zu verklagen – es sollte das erste Mal in der Geschichte sein, dass ein Staat für solche Verbrechen angeklagt wurde. Auch wenn nur 26 der 45.000 Taten geahndet werden konnten, bekamen die Kläger Recht gesprochen. Sie bestanden auf verschiedenen Wiedergutmachungsmaßnahmen, unter anderem auf der Produktion eines Dokumentarfilms auf Kosten des Staates. Doch der Staat weigert sich bis heute, das Urteil zu akzeptieren. Schließlich haben die Familien die Sache selbst in die Hand genommen: „Guatemala: Gegen das Vergessen“ heißt ihr Film (Autor: Claudio Zulian, Frankreich 2015).

Gegen den früheren Armeechef Benedicto Lucas García, den Bruder des damaligen Präsidenten Fernando García, erging im Jahr 2018 ein Urteil zu 58 Jahren Haft, im Jahr 2023 hob ein Berufungsgericht den Schuldspruch jedoch auf. Im April 2024 muss er sich wegen Völkermords an Indigenen verantworten. Ihm wird vorgeworfen, an der Ermordung von mehr als 1200 Ixil-Maya beteiligt gewesen zu sein.

 


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