Zum 28. Juni 1969

Die als Stonewall-Unruhen bekannten Proteste waren durch eine Razzia des Stonewall Inn am Stonewall Place in Greenwich Village von New York ausgelöst wurden. Die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei, den Homosexuellen und den solidarischen Anwohnern des Viertels dauerten mehrere Tage. Es war das erste Mal, dass Homosexuelle in Amerika gegen ihre Diskriminierung aufbegehrten. Die Unruhen gelten als Beginn der Schwulen- und Lesbenbewegung, die jährlich am Christopher Street Day mit Demonstrationen gefeiert wird.

„Gesellschaftliche Veränderungen vollziehen sich oft nur langsam, und die entscheidenden Momente sind häufig nicht leicht zu erkennen. Aber am 28. Juni 1969 wurden im Stonewall Inn in New York lautstark Freiheit und Würde für lesbische, schwule, bisexuelle und transsexuelle Menschen (LGBT) eingefordert. Als die Polizei nach Mitternacht eine Razzia in diesem beliebten LGBT-Treffpunkt durchführte – Homosexualität und Cross-Dressing waren damals illegal – versammelte sich eine große Menschenmenge. Eine Frau, die während der Festnahme grob behandelt worden war, wandte sich an die Menge, als sie in Handschellen abgeführt wurde, und rief: ‚Warum unternehmt ihr nichts?’ Aber dann unternahmen sie etwas. Aus heutiger Sicht mag man die Gewalt kritisieren, die sich in den folgenden drei Tagen auf den Straßen entlud, aber die Situation für Homosexuelle, Bisexuelle und Transsexuelle war unerträglich geworden. Aus diesen Tagen des Zorns heraus entstand eine moderne, organisierte Menschenrechtsbewegung für Schwule, Lesben und andere, deren Sexualität Anlass für Unterdrückung war, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa und sogar weltweit. Die Emotionen auf der Christopher Street schweißten diese Menschen zu einer Gemeinschaft zusammen – und gemeinsam ist man stark.“ (Aus: Von der Verachtung zur Hochachtung, Gastbeitrag von Philip D. Murphy, Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Deutschland, in: Frankfurter Rundschau vom 23./24.6.2012)

Der 28. Juni wird von Homosexuellen in der ganzen Welt als Auftakt ihres Kampfes um Gleichberechtigung gefeiert. Seit 1970 marschieren Homosexuelle an diesem Tag durch New York, um „Gay Pride“ zu feiern und um die Schwulen, Lesben und Transsexuellen ihres Status als integraler Teil der Gesellschaft zu versichern. An anderen Orten wird immer am letzten Samstag im Juni, dem Christopher-Street-Day (CSD), für die Rechte Homosexueller, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung demonstriert. In Deutschland wird der Christopher Street Day seit 1972 begangen, meist nicht genau am historischen Datum, sondern an den Wochenenden von Juni bis August.

In vielen Staaten drohen Homosexuellen Haft, Prügelstrafen und sogar die Hinrichtung. In mehr als 75 Ländern sind einvernehmliche sexuelle Handlungen zwischen gleichgeschlechtlichen Erwachsenen offiziell strafrechtlich verboten, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Grünen vom Dezember 2015 hervorgeht. Dort heißt es weiter, dass in sieben Ländern Homosexualität mit dem Tod bestraft werden kann: nämlich im Iran, auf den Malediven, in Mauretanien, Saudi-Arabien, dem Sudan, dem Jemen und den Bundesstaaten Nigerias, in denen die Scharia zur Anwendung kommt. Doch nicht nur von staatlicher, auch von gesellschaftlicher Seite droht Schwulen, Lesben und Transsexuellen Gewalt und Unterdrückung. In zahlreichen Ländern – von Afghanistan über die Türkei bis hin zu Südafrika – gibt es dabei Angriffe von anderen Menschen auf Homosexuelle, die von staatlicher Seite aus ungeahndet bleiben. In einigen Ländern wird zudem die Meinungs-, Versammlungs- und auch Pressefreiheit zulasten von homosexuellen Aktivisten beschnitten. Die Bundesregierung nennt hier etwa die Türkei und Russland. Dass beispielsweise Demonstrationen und Kundgebungen nicht stattfinden, sei aber nicht immer eine Folge staatlicher Repression, sondern auch gesellschaftlicher Ablehnung. „In manchen Zusammenhängen wirkt als Ergebnis des öffentlichen Klimas bereits eine Art Selbstzensur“, schreibt die Bundesregierung.


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