Zum 24. September 1983

 

Diese Aktion erfolgte während des Wittenberger Kirchentages (ca. 4000 Teilnehmer). Wegen der großen internationalen Präsenz – auch der „Westpresse“ – griff der Staat nicht ein. Pfarrer Friedrich Schorlemmer sagte damals: „Das Symbol des Schwertes, das zu Pflugscharen werden soll, wird kaum noch gezeigt: Wir wollen zeigen, wie man es macht.“ Der damaligen Staatsmacht der DDR durfte nichts vom Vorhaben bekannt werden. Nur Eingeweihte hatten unter der Hand erfahren, im Lutherhof werde es am Abend „etwas Spannendes“ geben. Der „Buschfunk“ erreichte mehr als tausend Jugendliche, die dann auf der Wiese sitzend oder stehend miterlebten, wie ein Schmied auf ein Schwert so lang einschlug, bis mit Feuers Hilfe eine Pflugschar entstanden war.

„Schwerter zur Pflugscharen“ wurde zum Motto der Friedensbewegung. Die Aktion gilt als wichtige Wegmarke auf dem Weg zur Friedlichen Revolution.

Bernhard Fricke, Gründer und Spiritus Rector des Vereins David gegen Goliath (DaGG), war seinerzeit mit dabei und berichtet (anlässlich des Todes von Richard von Weizsäcker) mit folgenden Worten von jenem Ereignis: „Bei Einbruch der Dämmerung verbreitete sich auf einmal per Mundpropaganda, trotz der massiven Stasi-Präsenz, die Aufforderung, sich im Lutherhof zu einer besonderen ‚Macht Schwerter zu Pflugscharen‘-Zeremonie möglichst rasch einzufinden. Man brauchte dazu einfach den sich dorthin bewegenden Menschenströmen anzuschließen, die sich in gespannter, geradezu feierlicher Erwartung auf den Weg dorthin gemacht hatten. Plötzlich befand ich mich in Begleitung des ebenfalls dorthin strebenden Richard von Weizsäcker wieder. Wir wechselten ein paar freundliche Worte und hörten schon bald immer lauter werdende Hammerschläge. Dann traten wir gemeinsam in einen immer größer werdenden Kreis von Augenzeugen ein, die gebannt auf ein hell loderndes Feuer blickten, an dem ein großer Amboss stand und ein Schmied mit Schweiß überströmten Gesicht und Oberkörper auf ein langes Eisenstück mit gezielten Schlägen einhämmerte. Bald war es klar, dass das Eisenstück ein langes Schwert war, das in intensiver Arbeit zu einer Pflugschar umgewandelt wurde. Wir wagten kaum zu atmen und fühlten uns bei dieser geradezu heiligen Zeremonie unter konspirativen Umständen ganz tief miteinander verbunden und von Dankbarkeit erfüllt, in diesem Moment dabei sein zu dürfen. Lange verharrten wir noch schweigend beieinander, bis es hieß, die Stasi würde anrücken und es wäre besser, in Ruhe zu gehen.“

Am 5. März 2017 wurde im Hof vor dem Lutherhaus in Wittenberg eine drei Meter hohe Stahlskulptur enthüllt, die an jene „Schmiedeliturgie“ erinnern und ein Zeichen für Zivilcourage setzen soll.


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