Zum 23. Mai 1992

Giovanni Falcone wurde zusammen mit seiner Ehefrau Francesca und drei Leibwächtern durch eine Bombe getötet. Die Attentäter hatten unter der Autobahn in der Nähe von Palermo einen Zentner Sprengstoff deponiert und ferngesteuert gezündet. Für dieses Attentat musste sich der „Schlächter der Cosa Nostra“, Giovanni Brusca, vor Gericht verantworten und ist seit 1996 inhaftiert. Es wird vermutet, dass der Mord durch Salvatore Riina in Auftrag gegeben wurde.

Falcone baute Anfang der 1980er Jahre in Palermo eine Sonderkommission zur Bekämpfung der Cosa Nostra auf. Dass die auf Sizilien allgegenwärtige Mafiaderartige Störungen ihrer Macht und Geschäfte nicht zulassen wollte, machte sie durch zahlreiche Anschläge auf die Ermittler immer wieder klar. Unbeirrt und mit sehr viel Mut leitete der unter ständigem Polizeischutz stehende Falcone ab 1987 als Untersuchungsrichter Massenprozesse gegen rund 400 Mitglieder der Mafia, von denen zahlreiche zu Haftstrafen verurteilt wurden. 1991 wechselte er ins italienische Justizministerium. Falcone erfreute sich wegen seines Kampfes gegen das organisierte Verbrechen großer Popularität besonders in Sizilien. Nach seinem Tod wurde er durch die Umbenennung des Flughafens von Palermo in „Aeroporto Falcone Borsellino“ nach ihm und seinem Freund Paolo Borsellino geehrt.

Im kollektiven Gedächtnis Italiens blieben auch die albtraumhaften Bilder des Attentats, mit dem sich die Mafia am 23. Mai 1992 für den Prozess in Palermo rächte: ein Autobahnabschnitt in Sizilien, zerfetzt von 500 Kilo Sprengstoff; die Leichen des Richters Giovanni Falcone, seiner Frau und dreier Personenschützer. Der Anschlag vom Mai 1992 war eine Zäsur in der italienischen Geschichte. Seitdem hat der Staat seinen Kampf gegen die Mafia deutlich intensiviert. (…) Die eigentliche Frage ist nicht, ob die Mafia eines Tages in der Versenkung verschwindet. Ein längst legendärer Satz des Richters Giovanni Falcone lautet: „Die Mafia ist ein menschliches Phänomen, und wie jedes menschliche Phänomen hat sie einen Anfang, macht eine Entwicklung durch und wird auch ein Ende haben.“ Die Frage ist nur, wann und wie das Ende kommt. Die Vorstellung, der Sumpf ließe sich durch spektakuläre Prozesse und Festnahmen trockenlegen, mag notwendig und hilfreich sein, aber sie ist illusorisch. Deshalb erklärte Falcone weiter: „Wenn wir die Mafia wirksam bekämpfen wollen, dürfen wir sie nicht zum Ungeheuer stilisieren. Sie ist weder ein Krake noch ein Krebsgeschwür. Wir müssen anerkennen, dass sie uns ähnlich ist.“ (Aus: Giovanni Ierardi, In den Ritzen des Staates, in: Le Monde diplomatique, April 2021)


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