Zum 20. März 1525

Im Haus der Kramerzunft in Memmingen werden die Zwölf Artikel der Bauernschaft verabschiedet; sie gelten als Symbol der ersten großen Freiheitsbewegung der deutschen Geschichte.

50 Vertreter der Bauern formulierten zusammen mit den beiden Memminger Reformatoren Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer ihre Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund, dem Zusammenschluss der schwäbischen Adligen. Unter anderem wollten die Bauern künftig ihren Pfarrer selbst wählen, forderten die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Freigabe von Jagd und Fischerei und den freien Verkauf ihrer Produkte.

Die Zwölf Artikel wurden in einer für die damalige Zeit enormen Auflage von 25.000 Exemplaren gedruckt. Sie verbreiteten sich so auch europaweit. Die Schrift dürfte daher nicht nur den Fortgang der Reformation beeinflusst haben. Manche glauben sogar in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung Anklänge an die Bauernartikel zu finden.

Diese Niederschrift von Menschen-, Religions- und Freiheitsrechten war europaweit die erste ihrer Art.

Die Zwölf Artikel lauten:

1. Jede Gemeinde soll das Recht haben, ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu entsetzen (abzusetzen), wenn er sich ungebührlich verhält. Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.

2. Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan (aufgegeben) werden, da er von Menschen erdichtet ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.

3. Ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Eigenleute (Leibeigene) gehalten hat, welches zu Erbarmen ist, angesehen dass uns Christus alle mit seinen kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.

4. Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbret, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.

5. Haben sich die Herrschaften die Hölzer (Wälder) alleine angeeignet. Wenn der arme Mann etwas bedarf, muss er es um das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind (gemeint sind ehemalige Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet hatten) der Gemeinde wieder heimfallen (zurückgegeben werden), damit jeder seinen Bedarf an Bau- und Brennholz daraus decken kann.

6. Soll man der Dienste (Frondienste) wegen, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen, ein ziemliches Einsehen haben (sie ziemlich reduzieren), wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wortes Gottes.

7. Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen. (Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war durchaus üblich.)

8. Können viele Güter die Gült (Pachtabgabe) nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.

9. Werden der große Frevel (Gerichtsbußen) wegen stets neue Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach Belieben (Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich). Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, darnach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.

10. Haben etliche sich Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.

11. Soll der Todfall (eine Art Erbschaftssteuer) ganz und gar abgetan werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen also schändlich wider Gott und Ehre beraubt werden.

12. Ist unser Beschluss und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären …, von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, dass sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und ab sein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wider Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.

Im Zentrum der Erklärung steht der gleichberechtigte Zugang zu Böden, Wäldern und Fischgründen.
Innerhalb kürzester Zeit verbreiteten sich die Forderungen in ganz Deutschland.

Neben den „Zwölf Artikeln“ erarbeitete die Versammlung in Memmingen einen Verfassungsentwurf, die „Bundesordnung der christlichen Vereinigung“.

Das Haus, in dem die Artikel verabschiedet wurden, steht noch (Weinmarkt 15/Kreuzstraße 15). Das Memminger Kulturamt ließ an ihm eine Gedenktafel anbringen. Im November 2020 wurde die Memminger Kramerzunft vom Bayerischen Landtag als „Ort der Demokratie“ ausgezeichnet.

Eine Dokumentation zu den schwäbischen Bauernunruhen und den Zwölf Artikeln finden Sie hier.

Am 5. Oktober 2005 wurde erstmals der mit 15.000 Euro dotierte Memminger Freiheitspreis 1525 verliehen, der an die zwölf Memminger Bauernartikel von 1525 erinnert. Der Preis wird alle vier Jahre vergeben.

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