Zum 2. Mai 1919

Zum zehnten Todestag Gustav Landauers 1929 schrieb Erich Mühsam in seiner Zeitschrift „Fanal“:

„Wenn denn eine Formal sein muß, die der Gesamterscheinung G. L’s gerecht werden soll, so darf es nur eine sein, die selbst vielgestaltig begriffen werden kann und von keiner programmatischen Festlegung aus in Anspruch zu nehmen ist. Landauer war Anarchist; so hat er sich sein Leben hindurch selber bezeichnet. Dennoch wäre es unsagbar lächerlich, jede seiner Lebensäußerungen unter die Lupe irgend einer anarchistischen Spezialauffassung zu nehmen, ihn als Individualisten, als Kommunisten, als Kollektivisten als Terroristen oder Gewaltlosen zu preisen oder zu verdammen. Erstens hat Landauer in den 30 Jahren seines öffentlichen Bekenntnisses zum Anarchismus, wie jeder, der nicht dogmatisch verknöchert ist, Entwicklung und Wandlung erlebt, dann aber betrachtete er seinen Anarchismus auch niemals als eine politisch oder organisatorisch beschränke Lehre, sondern als den Ausdruck geordneter Freiheit im Denken und Handeln. In geordneter Freiheit – ‚Anarchie ist Ordnung durch Bünde der Freiwilligkeit‘ hieß seine eigene Definition – revolutionär sein und revolutionär wirken, das mag den Menschen Gustav Landauer in allen seinen Absichten, Beziehungen und Unternehmungen am ehesten charakterisieren.“

(Fanal, 3. Jahrgang, 8, Mai 1929, Reprint, Glashütten im Taunus, 1973, zitiert aus: Monte Verità. Berg der Wahrheit. Lokale Anthropologie als Beitrag zur Wiederentdeckung einer neuzeitlichen sakralen Topographie, 1980, S. 33)

Zitat:

Ein Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Mittel schon durch die Farbe dieses Zieles getönt sind. Niemals kommt man durch Gewalt zur Gewaltlosigkeit.

Literatur:

  • Rita Steininger: Gustav Landauer. Ein Kämpfer für Freiheit und Menschlichkeit. Volk Verlag, München 2020

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