Zum 19. Juli 1510

„Der christliche Kirchendieb hatte dem Priester, der ihm die letzte Beichte abnahm, gestanden, dass es einen jüdischen Hostienkäufer gar nicht gab – worauf der Geistliche umgehend zum Bischof geeilt war, um die Hinrichtung der Juden zu verhindern. Nur, um von seinem Vorgesetzten Stillschweigen auferlegt zu bekommen, an das er sich hielt, bis er im Zuge der Reformation protestantischer Pfarrer wurde. Melanchthon tut dies in Anwesenheit des neuen Kurfürsten von Brandenburg, Joachim II. – und von Josel von Rosheim, dem frei gewählten Interessenvertreter der deutschen Judenheit. Nicht nur, dass dieser daraufhin die Neuzulassung der Juden in der Mark erlangt. Er nutzt die Betroffenheit auch, um eine Besserstellung der deutschen Juden insgesamt zu erreichen und ihnen in einer Zeit, wo sie in West- und Mitteleuropa fast überall vertrieben werden, ein Bleiberecht als ‚concives’, als Mitbürger, zu sichern. Es wird fast 400 Jahre lang Bestand haben – wobei ein Begriff geprägt wird, der die Beziehung der Deutschen zu unter ihnen lebenden Fremden bis heute bestimmt.“ (Aus: Stephen Tree, Das „Verhängnis der Mark Brandenburg“, in: Frankfurter Rundschau vom 19. Juli 2010, S. 22)


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