Zum 17. Dezember 2010

„Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich zum Ende dieser Rede noch kurz auf die arabischen Revolten und den israelisch-palästinensischen Konflikt eingehen. Wir spüren alle, dass sich seit der tunesischen Jasminrevolution in der Welt etwas geändert hat. Was in der verknöcherten, komplizierten und schwarzseherischen arabischen Welt unmöglich schien, ist nun eingetreten: Die Menschen kämpfen für die Freiheit, sie engagieren sich für die Demokratie, sie öffnen Türen und Fenster, sie blicken in die Zukunft, und diese Zukunft soll erfreulich und soll ganz einfach menschlich sein.

Was derzeit geschieht, ist meines Erachtens nicht nur eine Jagd auf alte bornierte und harthörige Diktatoren, und es beschränkt sich nicht auf die arabischen Länder, sondern es kommt eine weltweite Veränderung auf, eine kopernikanische Revolution: die Menschen wollen eine echte universelle Demokratie, ohne Grenzen und ohne Tabus. Alles, was das Leben ramponiert, verarmen lässt, beschränkt und denaturiert, ist dem Gewissen der Welt unerträglich geworden und wird mit aller Macht abgelehnt.
Die Menschen lehnen Diktatoren ab, sie lehnen Extremisten ab, sie lehnen das Diktat des Marktes ab, sie lehnen den erstickenden Zugriff der Religion ab, sie lehnen den anmaßenden und feigen Zynismus der Realpolitik ab, sie verweigern sich dem Schicksal, auch wenn jenes das letzte Wort haben mag, sie lehnen sich gegen alle Arten von Verschmutzern auf; überall empören sich die Leute und widersetzen sich dem, was dem Menschen und seinem Planeten schadet. Es entsteht ein neues Bewusstsein, und in der Geschichte der Nationen ist das eine Wende, wie man das in Ihrem Land beim Fall der Mauer nannte.“

Aus der Dankesrede des algerischen Autors Boualem Sansal anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 16. Oktober 2011 in Frankfurt am Main

„Sieben Jahre später ist der Mittelmeeranrainer der einzige unter den einstigen Frühlingsstaaten, der nicht in eine neue Diktatur oder gar in einen Bürgerkrieg abgerutscht ist.“ Aus dem Artikel „Tunesien im verflixten siebten Jahr“ von Martin Gehlen in der Frankfurter Rundschau vom 17. Dezember 2017.


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