Zum 16. September 1997

Das deutsche Bündnis „erlassjahr.de“ – Entwicklung braucht Entschuldung. Für einen fairen Umgang mit verschuldeten Staaten und ein internationales Insolvenzverfahren setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden. Das Bündnis wird von mehr als 600 Organisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft bundesweit getragen und ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk nationaler und regionaler Entschuldungsinitiaitiven.

Details

Der jährliche Schuldenreport von erlassjahr.de und Misereor analysiert die Verschuldungssituation von Ländern im Globalen Süden sowie die Rolle Deutschlands in der internationalen Entschuldungspolitik und zeigt konkrete Empfehlungen und Handlungsoptionen auf. Am 9. April 2024 wurde der Schuldenreport 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt. Danach spitzt sich die weltweite Schuldenkrise weiter zu: Verschuldete Staaten im Globalen Süden müssen 2024 so viel Schuldendienst wie noch nie an ihre ausländischen Gläubiger leisten. Ein Grund sind fehlende Schuldenerlasse. 130 von 152 untersuchten Ländern weltweit sind kritisch verschuldet, 24 von ihnen sogar sehr kritisch. Die höchsten Schulden hat Pakistan mit gut 99 Milliarden Dollar. Darauf folgen Sri Lanka mit 39 Milliarden Dollar und der Libanon mit 33 Milliarden Dollar Auslandsschulden. In 45 Staaten fließen mehr als 15 Prozent der Staatseinnahmen in den Schuldendienst. Pro Tag seien dies mehr als eine Milliarde US-Dollar – so viel wie noch nie.
Die hohe Staatsverschuldung stellt die betroffenen Länder vor große Herausforderungen. So erklärt Kristina Rehbein von Erlassjahr.de, dass es für diese Staaten nur zwei Möglichkeiten gäbe, ihre Schulden abzubauen: entweder durch einen Schuldenschnitt, den die Herausgeber des Berichts fordern, oder durch Sparmaßnahmen. Da die Gläubiger dem Bericht zufolge jedoch häufig nicht bereit sind, auf Forderungen zu verzichten, sehen sich die betroffenen Regierungen gezwungen, zu Instrumenten der Austeritätspolitik zu greifen. Das führe oft zu „tiefgreifenden Einschnitten im Bereich sozialer Grunddienste“.

„Die ärmsten Länder geben heute zwölf Prozent ihres Einkommens für Zinszahlungen aus – viermal so viel wie noch vor zehn Jahren“, heißt es in der UN-Mitteilung vom April 2024. Rund 40 Prozent der Weltbevölkerung lebten in Ländern, in denen der Staat mehr für Zinszahlungen ausgibt als für Bildung oder Gesundheit.

Wie aus der im April 2024 veröffentlichten Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, des Boston University Global Development Policy Center und des Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London „Defaulting on Development and Climate. Debt Sustainability and the Race for the 2030 Agenda and Paris Agreement“ hervorgeht, wären 47 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 1,11 Milliarden Menschen durch höhere Investitionen in Klimaschutz und Entwicklung von Insolvenz bedroht wären. Weiteren 19 Ländern fehlt es an Liquidität und fiskalischem Spielraum. Ohne Kreditverbesserung oder Liquiditätshilfe sind diese Länder nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen zu finanzieren, die nötig seien, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Hinter der Studie steht das Projekt „Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery“ (Schuldenerlass für einen grünen und integrativen Aufschwung).
Zins- und Tilgungszahlungen drohe vielen Ländern der Studie zufolge schon jetzt das Genick zu brechen: Die Auslandsschulden haben sich seit 2008 verdoppelt und die Schuldendienstzahlungen sind so hoch wie nie. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer kürzen wichtige Grundversorgungsleistungen und verzichten auf Investitionen, um ihre Schulden bedienen zu können.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in einem Land, das mehr für den Auslandsschuldendienst ausgibt als für Investitionen in Gesundheit oder Bildung. Auf der UN-Umweltversammlung im Februar 2024 habe der kenianische Präsident William Ruto darauf hingewiesen, dass afrikanische Länder für Kredite auf den Finanzmärkten mindestens fünfmal so viel zahlen wie Länder mit hohem Einkommen.


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