Zum 15. März 2011

Am Beginn des Konflikts standen Proteste der Menschen gegen den Abbau von Subventionen für Grundnahrungsmittel, erzwungen durch Vorgaben des Internationalen Währungsfonds (IWF).

In Sprechchören riefen die Demonstranten immer wieder: „Freiheit, Freiheit!“ Sie wollten mehr Demokratie in einem diktatorischen System, das für die allgegenwärtige Kontrolle seiner Geheimdienste berüchtigt war. Keinem von ihnen kam wohl in den Sinn, dass dieser Dienstag der Auftakt für den blutigsten Konflikt des 21. Jahrhunderts sein sollte, in dem nach Schätzungen der Vereinten Nationen bislang eine Viertelmillion Menschen ums Leben gekommen sind.

Ende April 2011 begann das Regime von Diktator Baschar al-Assad damit, die Proteste brutal niederzuschlagen. Eine zentrale Rolle spielte dabei die „Direktion für Allgemeine Sicherheit“, Assads ziviler Geheimdienst, und insbesondere die für den Raum Damaskus zuständige Abteilung 251, die über ein eigenes Gefängnis verfügte.

„Es war das Jahr 2011, als der arabische Frühling auch in Syrien begann. Die Revolution war noch nicht in einen Bürgerkrieg eskaliert, nichts schien entschieden und alles versprach besser werden zu können. Fast überall im Land kam es zu Versammlungen der Freude, des Aufbegehrens und der Leidenschaft, um die bleierne Last einer scheinbar immerwährenden Herrschaft des Assad-Regimes abzuschütteln. Es wurde geschrieben, publiziert, gedichtet und gesungen. Der syrische Bürgerjournalismus entstand. Der öffentliche Raum, den zuvor alle gemieden hatten, wurde auf einmal politisch. Es waren unerhörte Momente einer pluralen Demokratie, einer Würde aller und des Freiheitswillens einer ganzen Gesellschaft. „Wir sind ein, ein Syrien“ waren die Rufe: die Einheit aller, die Einheit des Landes und der Gesellschaft gegen die Propaganda der religiösen Trennung und Hetze, mit der das Regime die Proteste spalten und vernichten wollte. Auf einmal entstand in Syrien etwas, was vorher nie ins öffentliche Leben getreten war: Die Armen in den Vorstädten erhoben sich, die Moscheen wurden zu Treffpunkten des Protestes, es entstanden Nachbarschaftsinitiativen, Komitees zum Schutze der Deserteure. Den von der Polizei Verhafteten wurde geholfen. Man fand sich nicht mehr ab mit der düsteren Vorsehung, dass nichts möglich ist und alle nur in den Verließen der Macht enden. Der Bann war gebrochen.
Dann aber begann die Militarisierung…“ (Aus: Martin Glasenapp, Syrien ist überall: Die große Flucht der Syrer nach Europa ist auch ein Kampf um ihre Rechte im eigenen Land“, in: medico international/rundschreiben 03/15, S. 10–12.10)

2012 gab es in Syrien noch die Hoffnung, dass die Opposition gegen das Regime von Diktator Baschar al-Assad zu dessen Sturz und einem politischen Wandel führen könnte. Diese Hoffnung wurde spätestens ab 2015 und der russischen Intervention in Syrien zerstört. Inzwischen (2024) beherrscht das Assad-Regime wieder weite Teile des Landes. Hunderttausende Menschen starben. Millionen befinden sich auf der Flucht. „Mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet unter Hunger“, sagt UN-Generalsekretär António Guterres anlässlich des 13. Jahrestages des Beginns des Syrien-Konflikts über die aktuelle Situation in Syrien. Es sei ein „düsterer Jahrestag“.

Literatur:

  • Ziad Majed, Syriens verwaiste Revolution. Nautilus Flugschrift. Aus dem Französischen übersetzt von Harald Etzbach. Mit einem aktuellen Nachwort des Autors zur deutschen Ausgabe, Edition Nautilus, Hamburg 2021

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