Zum 15. Juli 2009

„Donnerstag, 15. Juli 2010: Die Rücknahme der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention (KRK) wird bei den Vereinten Nationen in New York rechtsverbindlich besiegelt. Betroffene, Kinder- und Menschenrechtsorganisationen sowie Aktivisten in Flüchtlingsinitiativen atmen auf. Scheint doch endlich – mehr als 20 Jahre nach der Deklaration der Konvention und zehn Jahre nach der Pro-Asyl-Kampagne „Alle Kinder haben Rechte“ – der Weg frei zu sein, den hier lebenden Flüchtlingskindern dieselben Rechte zu gewähren wie anderen Kindern auch.
Freitag, 15. Juli 2011: Die Freude ist Enttäuschung und Ernüchterung gewichen. Die Hoffnungen der jungen Flüchtlinge auf eine spürbare Verbesserung ihrer Lebenssituation haben sich nicht erfüllt. Kinder- und Menschenrechtsaktivisten warten weiter auf substanzielle gesetzliche Änderungen, die die umfassende Geltung der in der KRK auch Flüchtlingskindern garantierten Rechte gewährleisten würden.
Auch ein Jahr nach der Rücknahme der Vorbehalte orientiert sich der rechtliche und behördliche Umgang Deutschlands mit Flüchtlingskindern nicht – wie es sein müsste – vorrangig an der Konvention. Nicht am Wohl der Kinder und ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit, nicht am Grundsatz der bestmöglichen Entwicklung, am Recht des erreichbaren Höchstmaßes an Gesundheit oder am Prinzip des Optimums an Förderung und Entfaltung. Vielmehr wird ihr Lebensalltag nach wie vor durch den Vorrang des Ausländer- und Asylrechts bestimmt: eingeschränkte Rechte, reduzierte Leistungen, ein unsicherer Aufenthaltsstatus, mangelnde Förderung, verweigerte Bildungs-, Betreuungs- und Behandlungsmöglichkeiten. Es bleibt dabei, dass Flüchtlingskinder schon mit 16 Jahren wie Erwachsene behandelt werden. Es bleibt bei der möglichen Verhängung von Abschiebungshaft, beim Leben in Sammellagern und Gemeinschaftsunterkünften, bei mangelhafter Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, bei weitgehendem Ausschluss vom Bildungssystem, bei mangelhafter pädagogischer Betreuung, fehlender Unterstützung und ungenügenden gesundheitlichen und therapeutischen Maßnahmen.
Inzwischen bestätigen amtliche Äußerungen der Bundesregierung, dass diese in der Tat nicht die Absicht hat(te), rechtliche Konsequenzen im Hinblick auf notwendige Änderungen etwa des Aufenthalts- oder Asylverfahrensgesetzes zu ziehen. So heißt es beispielsweise im „dritten und vierten Staatenbericht“ an den Kinderrechtsausschuss in Genf: ‚Nach Auffassung der Bundesregierung entsprechen alle Bundesgesetze dem Übereinkommen. Das gilt auch für das deutsche Ausländer- und Asylrecht.’“ (Heiko Kauffmann, Kinder zweiter Klasse, in: Frankfurter Rundschau vom 15. Juli 2011)


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