Zum 13. August 2015

„Wenn ich geahnt hätte, was auf mich zukommt, wäre ich nicht gesprungen“, sagt Virginia Ruiz. Aber sie sagt es mit einem Lachen. Sie ist jetzt eine offizielle Heldin: eine „Heldin für die Tiere“. Den Ehrentitel hat ihr die Tierschutzorganisation Peta verliehen, und den will sich die 38-jährige Spanierin nicht nehmen lassen. Sie ist gesprungen, an jenem 13. August in Málaga, ins Rund der Stierkampfarena La Malagueta, in dem soeben ein junger Stier zu Boden gestochen worden war. Sie sprang, einem Impuls folgend: „Ich hörte das Stöhnen des Stiers, der Stier sucht mit dem Blick jemanden, der ihm Freund ist, und findet niemanden. Ich konnte nicht anders und sprang in das Rund.“ Sie lief quer über den Platz und umarmte das sterbende Tier.

Die Geste hat der Tierarzthelferin viel Bewunderung und einigen Spott eingebracht. Eine Mitstreiterin des gegen den Stierkampf kämpfenden „Colectivo Antitaurina“ aus dem benachbarten Marbella filmte die Aktion und veröffentlichte das Video bei Youtube, wo es bis heute mehr als eine Million Mal angeklickt worden ist. „Virginia Ruiz repräsentiert eine neue Gesellschaft, die das Intolerierbare nicht toleriert“, schrieb eine begeisterte Kolumnistin in der Netzzeitung „eldiario.es“. Während ein Kommentator des „Periodista Digital“ im Gegenteil fand, Ruiz habe mit ihrer „Hanswurstiade“ doch nur „ihre Minuten des Ruhms“ gesucht.

Ob gesucht oder nicht, der Ruhm hat die 38-Jährige ereilt, als erste Frau, die allein in eine Stierkampfarena stürmt, um gegen das blutige Spektakel zu protestieren. Der Eintritt war an diesem Nachmittag frei, und Ruiz, seit längerem Aktivistin gegen die „Tauromaquia“, besuchte die Arena, um wie schon zu anderen Gelegenheiten Fotos zu schießen: als Belege für die Quälerei. Dann sprang sie auf.

(Aus einem Bericht von Martin Dahms in der Frankfurter Rundschau vom 28. August 2015)


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