Zum 11. April 2019

Im Sudan beendet eine gewaltfreie Revolution die 30-jährige Herrschaft Omar al-Baschirs, des „Schlächters von Khartum“ (April-Revolution).

Nach der Ankündigung von Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs durch die Regierung von General Omar al-Bashir kam es am 20. Dezember 2018 in den größten Städten des Sudan zu ersten Protesten. Vier Monate lang demonstrierten die Sudanesen und insbesondere die Sudanesinnen. Erst waren es Hunderte, dann Tausende, schließlich Millionen. Ihre Anführer wurden verprügelt, verhaftet, gefoltert, mehr als 50 starben. Doch ab sofort wird mit dem Sudan nicht mehr nur Bürgerkrieg und Völkermord assoziiert, sondern auch ein Land, deren Bevölkerung sich von einem Diktator befreite.

Vier Monate nach dem Sturz des sudanesischen Machthabers Omar al-Baschir haben sich Vertreter des Militärs und der Opposition auf einen Weg hin zu einer Übergangsregierung geeinigt. Bei einer Zeremonie in der Hauptstadt Khartum unterzeichneten der Vertreter des regierenden Militärrats und der Vertreter der Zivilgesellschaft am 17. August 2019 ein Abkommen zur Aufteilung der Macht. Gemäß dem Abkommen sollte nun ein Rat aus Militärangehörigen und Zivilisten gebildet werden. Dieser sollte drei Jahre und drei Monate an der Macht bleiben.
Am 25. Oktober 2021 jedoch putschte Militärchef al Burhan mit dem Chef der RSF-Miliz, Mohamed Hamdan Daglo (alias Hemeti) die zivile Übergangsregierung aus dem Amt, um ihre politische Kontrolle zu sichern und die Proteste auf der Straße zu beenden. Nach der Machtübernahme durch das Militär fordern in der Hauptstadt Khartum Tausende Menschen die Einsetzung einer zivilen Regierung. Bis Mitte November 2021 kamen bei den Protesten mindestens 14 Menschen ums Leben, mehr als 100 wurden verhaftet, darunter auch ehemalige Minister, Anwältinnen und Ärzte. Bei Protesten am 17. November 2021, nach dem Deal zwischen den Putschisten und dem abgesetzten und auf Druck aus dem In- und Ausland wieder eingesetzten Premierminister Abdulla Hamdok am 14. November 2021, sind mindestens 17 Personen getötet worden, es war der blutigste Tag seit dem Putsch am 25. Oktober. Nach wochenlangen blutigen Straßenprotesten gegen die Regierung und Spannungen mit den Militärmachthabern des Landes erklärte Hamdok am 2. Januar 2022 seinen Rücktritt und ging ins Exil.

„Meist zweimal die Woche ziehen Zigtausende von Menschen im Sudan durch die Straßen der Hauptstadt Khartum: Ein seit fast vier Monaten anhaltendes Ritual, das mit Sprechchören und Märschen in Richtung Präsidentengebäude beginnt – und mit einer gewalttätigen Antwort der Sicherheitskräfte endet. (…) Noch nie in der an Coups nicht gerade armen Geschichte des Landes wurde gegen einen Staatsstreich dermaßen lange Widerstand geleistet, sagt Kholood Khair von der Khartumer Denkfabrik ‚Insight Strategic Partners‘ im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau.“ (Aus: Johannes Dieterich, Patt im Sudan, Frankfurter Rundschau vom 15. Februar 2022)

Seit dem Militärputsch verloren nach Angaben des Zentralkomitees der Sudanesischen Ärzte (CCSD) mehr als 120 Demonstrierende ihr Leben (Stand: Juli 2022), Tausende weitere wurden inhaftiert. Doch der beispiellose Protestmarathon der Bevölkerung hält an: „Woche für Woche ziehen Zig-, zuweilen sogar Hunderttausende Demonstrant*innen durch die Straßen der Hauptstadt Khartum, um die Generäle zum Abtritt zu zwingen, die den Reformprozess des Militärstaats im vergangenen November durch einen Putsch beendet hatten.“ (Johannes Dieterich, Im Zangengriff von Hunger und Diktatur, Frankfurter Rundschau vom 1. August 2022)

Zum Jahrestag des Putsches am 25. Oktober 2022 haben Zehntausende Menschen gegen das Militärregime protestiert. Mindestens 119 Demonstrierende wurden laut der Ärzte-Vereinigung CCSD seitdem getötet. Ende 2022 zerstritten sich al Burhan und Hemeti über die Frage der Integration der RSF-Miliz in die Armee und liefern sich seit dem 15. April 2023 in mehreren Teilen des Landes blutige Gefechte. In dem halben Jahr danach kamen laut UN weit mehr als 9000 Menschen ums Leben, über sieben Millionen Menschen wurden vom Krieg vertrieben, 25 Millionen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

  • Gérard Prunier, Sudan – vom Krieg zerrissen, Le Monde diplomatique, März 2024

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