Zum 1. September 1987

Zwischen dem 1. und 18. September 1987 organisierten internationale Friedensgruppen einen Friedensmarsch zur Erinnerung an den schwedischen Premierminister Olof Palme. Palme, der am 28. Februar 1986 ermordet worden war, hatte einst als entschiedener Gegner des atomaren Wettrüstens einen 150 Kilometer langen atomwaffenfreien Korridor zwischen Ost und West vorgeschlagen. Initiiert wurde der Friedensmarsch von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen in der Bundesrepublik, dem Friedensrat der DDR und dem Friedenskomitee der ČSSR.

„So etwas hatte es bis dahin nicht gegeben: Als im Herbst 1987 mehrere europäische Initiativen mit dem Olof-Palme-Friedensmarsch für ein atomwaffenfreies Mitteleuropa demonstrieren, dürfen sich in der DDR neben staatlich organisierten Teilnehmern erstmals auch unabhängige und kirchliche Gruppen beteiligen. Das Symbol ‚Schwerter zu Pflugscharen’, dessen Träger bisher regelmäßig kriminalisiert worden waren, ist auf dem Marsch vom 1. bis 18. September ebenso erlaubt wie Losungen jenseits der üblichen Propaganda. Statt Konfrontation erleben die Teilnehmer zwischen Stralsund und Dresden überwiegend Entgegenkommen und Unterstützung. ‚Für uns wurden sogar Autobahnen gesperrt’, erinnert sich die Präses der Synode der EKD, Barbara Rinke. Die damals 40-jährige Thüringerin aus Nordhausen gehörte zu den etwa 500 Menschen, die im Rahmen des Friedensmarsches auf einem 85 Kilometer langen Pilgerweg zwischen den nördlich von Berlin gelegenen KZ-Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen unterwegs waren.“ (Quelle: epd)

“Der DDR-Kirchenbund nahm ‘in eigenständiger kirchlicher Verantwortung und mit eigenen Beiträgen’ am Olof-Palme-Marsch teil, der offiziell vom ‘DDR-Friedensrat’ organisiert war. Für die Kirchen bot sich die einmalige Gelegenheit, ihre seit 1982/83 formulierte ‘Absage an Geist, Logik und Praxis der Abschreckung’ öffentlich ins Gespräch zu bringen und für das alternative Konzept der ‚gemeinsamen Sicherheit’ zu werben. Höhepunkt war ein ökumenischer Pilgerweg vom 2. bis 4. September 1987. Rund zweihundert Christinnen und Christen aller Konfessionen gingen mit, nördlich von Berlin, zwischen den ehemaligen KZs Ravensbrück und Sachsenhausen, singend, betend und diskutierend unter dem Zeichen eines schlichten Holzkreuzes. Ein breites christliches Themenspektrum kam unterwegs zur Sprache: von ‘Schwerter zu Pflugscharen’ bis ‘Kein Wehrunterricht an den Schulen’. Dies geschah in Gottesdiensten und Friedensgebeten, auf Postern sowie bei ambulanten Streitgesprächen mit SED-Genossen. Menschen erlebten plötzlich eine andere Kultur des Friedens. Welch ein Erstaunen in den Dörfern, bei den zum Gruß angetretenen Bürgermeistern und LPG-Belegschaften, wenn sie über ihre eigenen Mikrofone mit Meinungen konfrontiert wurden, die eben noch im ‘Parteilehrjahr der SED’ als Machenschaften des ‘Klassenfeindes’ verteufelt worden waren. Der Marsch war ein Vorgeschmack des Aufbruchs, der die DDR 1989 erfasste. Für viele wurde unterwegs zur Gewissheit, was sie bis dahin nicht zu träumen gewagt hatten: dass nichts so bleiben würde wie bisher. Eine unvergessliche Erfahrung!” (Joachim Garstecki in Publik-Forum Nr. 16/2012)


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