Zum 1. Oktober 1968

Erstes, u.a. von Dorothee Sölle initiiertes Politisches Nachtgebet in der Antoniterkirche in Köln

Politisches Nachtgebet war der Titel einer Liturgie, die beim 82. Deutschen Katholikentag vom 4. bis 8. September 1968 in Essen gefeiert wurde. Daraus entstand die gleichnamige gottesdienstliche Tradition zunächst in Köln, danach in vielen anderen Städten, auch in den Niederlanden und der Schweiz. Im Ruhrgebiet gibt es sie heute noch.

Vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs (Tet-Offensive) wollte der Ökumenische Arbeitskreis Köln – bestehend unter anderem aus Dorothee Sölle, Fulbert Steffensky, Marie Veit, Heinrich Böll, Egbert Höflich, Michael Dohle, Vilma Sturm u. a. – beim Essener Katholikentag 1968 einen „politischen Gottesdienst“ feiern. Die Veranstalter des Katholikentags setzten den Gottesdienst erst auf 23 Uhr an, worauf die Gruppe die Veranstaltung „Politisches Nachtgebet“ nannte. In Folge fanden ab Oktober 1968 monatlich um 20.30 Uhr in der evangelischen Antoniterkirche in Köln „Politische Nachtgebete“ statt. Kardinal Joseph Frings hatte die Benutzung der Kirche St. Peter untersagt. Der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Joachim Beckmann beglückwünschte den Kardinal, „daß er das Recht hat, so etwas in einer Kirche zu verbieten“. Er selber konnte nicht gegen die Erlaubnis des Presbyteriums der Evangelischen Gemeinde Köln entscheiden. Zum ersten Gebet am 1. Oktober kamen über 1000 Menschen.

„Am 2. Oktober 1968 ist im Kölner Stadtanzeiger zu lesen: ‚Schon um 20 Uhr gestern abend war die Antoniterkirche in der Schildergasse überfüllt. Und um 20.30 Uhr sagte der Gemeindepfarrer Jörg Eichert durchs Mikrophon: ›Es stehen noch viele draußen. Lasst uns etwas enger zusammenrücken, das ist ein gutes Zeichen für einen ökumenischen Gottesdienst.‹ Zehn Minuten später gab es nicht mal mehr einen Stehplatz. Mehr als 1000 Menschen waren zum Politischen Nachtgebet in die evangelische Kirche gekommen, deren Bänke kaum mehr als 300 Plätze bieten: katholische Kapläne, evangelische Pfarrer, Schüler, Studenten, engagierte Leute. Es handelte sich beim Politischen Nachtgebet um politische Informationen, um ihre Konfrontation mit biblischen Texten, eine kurze Ansprache, Aufrufe zur Aktion und die Diskussion mit der Gemeinde. Information, Meditation und Aktion sind die Grundelemente aller Nachtgebete geblieben.“ (Zitiert aus: Renate Wind, Dorothee Sölle. Rebellin und Mystikerin. Die Biographie, Kreuz Verlag, Stuttgart 2008, S. 73–78)

Das Politische Nachtgebet in Köln fand von 1968 bis 1973 regelmäßig statt.

Literatur:


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