Tiefsee-Lebewesen

Der größte Teil des bewohnbaren Raumes der Ozeane ist die Tiefsee. Nacht für Nacht steigen Milliarden von TIEFSEE-LEBEWESEN wie Quallen, Kalmare, Krebse, Laternenfische und biolumineszente Arten in den tropischen Gewässern des Pazifischen Ozeans zur Nahrungssuche an die Oberfläche. Sie kommen aus den Tiefen des Ozeans herauf, um sich von Plankton zu ernähren. Das Dunkel der Nacht bietet ihnen Schutz vor tagaktiven Fressfeinden. Erst am Morgen tauchen sie wieder in die Tiefsee hinab. Ihr Auf und Ab ist das weltweit größte Phänomen einer beweglichen Biomasse.

Der Nautilus hat 500 Millionen Jahre lang jede evolutionäre Katastrophe überlebt, jetzt ist er vom Aussterben bedroht. Das faustgroße Meerestier ist im Jahr 2016 zum ersten Mal unter internationalen Schutz gestellt worden. Das lebende Fossil ist älter als die Dinosaurier und hat sich seit Urzeiten kaum weiterentwickelt. In einer Tiefe von etwa 400 Metern, wohin kein Tageslicht dringt, verschlief er sozusagen die Evolution. Nur nachts kommt er an die Oberfläche. Anders als seine urzeitlichen Verwandten jagt der bis heute überlebende Nautilus seine Beute nicht aktiv, sondern ist darauf angewiesen, dass sich Garnelen in die Nähe seiner Tentakel wagen. Er pflanzt sich nur langsam fort.

Einige Tiefseekraken brüten ihre Eier auf Manganknollen am Boden des Pazifischen Ozeans aus. Das könnte den Tieren zum Verhängnis werden, denn Mangan und andere in den Knollen vorhandene Stoffe werden für die Industrie immer wichtiger, wie ein deutsch-amerikanisches Biologen-Team im Dezember 2016 im Fachmagazin „Current Biology“ schreibt. Die Metalle würden in Handys und Computern verwendet. In einer Tiefe von mehr als 4000 Metern heften die Tierchen ihre Eier an Stängel bestimmter abgestorbener Schwämme, die an Manganknollen wachsen, und brüten sie dort jahrelang aus. Ohne die Knollen finden die Kraken dort keinen Laichplatz.

Eines der stärksten Außenskelette, die je entdeckt wurden, gehört einer kleinen Tiefseeschnecke. Der dreischichtige, außen mit winzigen Eisenpartikeln geschützte Aufbau des Gehäuses der Schuppenfußschnecke (Crysomallon squamiferum) ist bisher noch nirgendwo sonst bekannt. Die äußere Schicht basiert auf Eisensulfidpartikeln; die mittlere ähnelt der proteinreichen Schalenhaut anderer Schneckenarten; die innere Schicht besteht vor allem aus Aragonit, einem Kalziumkarbonat. Diese Dreifachpanzerung schützt sie optimal vor Krebsen, die versuchen, das Gehäuse mit ihren kräftigen Scheren zu knacken. Selbst wenn der Krebs die Schnecke tagelang in die Zange nimmt — das Gehäuse hält. Die Schuppenfußschnecke trotzt in etwa 2.400 Meter Tiefe am Grund des Indischen Ozeans äußerst widrigen Bedingungen: gewaltigem Wasserdruck, hohem Säuregehalt, wechselnden Temperaturen und kochend heißem Wasser, das aus hydrothermalen Schloten schießt. Die darin gelösten Stoffe bilden die Grundlage eigener Ökosysteme auf chemischer Basis, die ohne Sonnenlicht auskommen.

In mehr als 5000 Metern Tiefe haben Forscher im Meer überraschend viele bisher unbekannte Mini-Tierchen mit erstaunlichen Fähigkeiten entdeckt. Diese Tiefsee-Einzeller bestehen hauptsächlich aus Wasser und sind mit zwei bis zehn Mikrometern so winzig, dass man sie mit bloßem Auge nicht sehen kann. „In verschiedenen Tiefseebecken des Südatlantiks haben wir völlig unerwartet eine hohe Zahl von unbekannten Organismen – vor allem Geißeltierchen – entdeckt, die eine große Bedeutung für die Tiefsee-Ökologie haben“, berichtete Prof. Hartmut Arndt vom Zoologischen Institut der Kölner Universität im Jahr 2009. „Wir können jetzt neu sagen, dass es ähnlich viele Einzeller-Organismen in der Tiefsee gibt wie im Flachwasser.“ Die Minis haben wichtige Funktionen und sind äußerst nützlich. „Je mehr Arten da sind, desto stabiler ist ein Ökosystem“, erklärte der Forscher. „Die Geißeltierchen helfen, den Sauerstoff-Haushalt in der Tiefe zu regulieren, indem sie Bakterien fressen. Bakterien konsumieren ja Sauerstoff.“ Gebe es einen Wachstumsschub bei Bakterien, können auch die Geißeltierchen binnen Minuten aus ihren Ruhestadien schlüpfen und die Bakterien-Massen wegfressen. „Sie sind also extrem nützlich für Krebstiere, Ruderfußkrebse, Muscheln, Schnecken, Schlangensterne, Seesterne, Seegurken und eine Reihe von Tiefseefischen.“ Man kultiviere nun einige Organismen, etwa um deren Nahrungsmittel-Strategien besser zu ergründen oder zu klären, wie sie den Extremdruck von 250 bar in der Tiefe aushalten. Der Tiefsee-Boden macht ein Drittel der gesamten Erdoberfläche aus.


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