Lebensraum Streuobstwiese

Der Begriff STREUOBSTWIESE ist erst seit den 1970er Jahren bekannt als Abgrenzung zu den intensiv bewirtschafteten Niederstammkulturen des Erwerbsobstbaus. Der Name geht auf die unregelmäßige Anordnung verschiedener hochstämmiger Obstbäume in der Landschaft zurück. Bei dieser traditionellen Form des Obstbaus wachsen verschiedene Obstbaumarten locker verteilt, aber auch in Reihen auf Wiesen bzw. entlang von Wegen, als markante Einzelbäume oder als Obstbaumgürtel um die Dörfer. Typische Merkmale sind großkronige, hochstämmige Bäume unterschiedlicher Altersstruktur sowie die Unternutzung als Mähwiese oder Weide

Auf Initiative des Verbandes der Gartenbauvereine in Deutschland (VGiD) hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit den Referenten der Bundesländer eine vom VGiD vorgeschlagene Definition des Begriffs Streuobstanbau abgestimmt. Auf dieser Grundlage wurde im Jahr 2008 folgende Definition verabschiedet: „Streuobstanbau ist eine Form des extensiven Obstbaus, bei dem großteils starkwüchsige, hochstämmige und großkronige Obstbäume in weiträumigen Abständen stehen. Charakteristisch für Streuobstbestände ist die regelmäßige Unternutzung als Dauergrünland. Daneben gibt es Streuobstäcker mit ackerbaulicher oder gärtnerischer Unternutzung, Streuobstalleen sowie sonstige linienförmige Anpflanzungen. Häufig sind Streuobstbestände aus Obstbäumen verschiedener Arten und Sorten, Alters- und Größenklassen zusammengesetzt, sie sollten eine Mindestflächengröße von 0,15 ha umfassen. Im Unterschied zu modernen Dichtpflanzungen mit geschlossenen einheitlichen Pflanzungen ist in Streuobstbeständen stets der Einzelbaum erkennbar.“ Der Einsatz synthetischer Pestizide ist unüblich. Auf den bundesweiten Treffen der Streuobst-Aufpreisvermarkter wurde daher erstmals 1996 und wiederholt 2001, 2007 und 2014 das Kriterium des Verzichts auf Pestizide in die Definition von Streuobst aufgenommen. Brockhaus übernahm dies 2004 in die lexikalische Definition „Hochstamm-Obstbau ohne Einsatz synthetischer Behandlungsmittel“.

Der Lebensraum Streuobstwiese ist gekennzeichnet durch eine Kombination aus artenreichen, meist ungedüngten Wiesen und Bäumen und durch seine Strukturvielfalt ein Hotspot der Biodiversität. Für viele selten gewordene Tiere und Pflanzen sind Streuobstbestände wahre Paradiese. Mehr als 1000 Käfer, Schmetterlinge und Fliegen kann hier ein einziger Apfelbaum beherbergen. In den bunt blühenden Wiesen sind es dank des Verzichts auf Spritzmittel und Mineraldünger sowie der seltenen Mahd mindestens 5000 bis 6000 verschiedene Arten. Obstbäume und Wiese. Diese Kombination ist die Zauberformel für die Artenvielfalt der Steuobstwiesen. Die einmalige Mischung aus „Baum“ und „Wiese“ ermöglicht es Tierarten des Waldes und der Wiesen, in Streuobstbeständen gleichzeitig vorzukommen. Allen voran profitieren davon Vogelarten, die auf Nisthöhlen und auf Insekten als Nahrungsgrundlage angewiesen sind. Mehr als 40 verschiedene Vogelarten können es in einer Streuobstwiese sein. Für Wiedehopf und Ortolan, Steinkauz und Wendehals, Bechsteinfledermaus und Abendsegler ebenso wie für Orchideen- und Enzianarten, Misteln und Baumflechten wurden die Wiesen vielfach zu unersetzlichen Refugien.

Der Streuobstanbau hatte im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine große kulturelle, soziale, landschaftsprägende und ökologische Bedeutung. In den 1950er bis 1970er Jahren wurden in der Bundesrepublik Deutschland Rodungen von Streuobstwiesen teilweise öffentlich gefördert, um die Früchte in Monokulturen rentabler anzubauen. Derzeit existieren bundesweit nach Angaben des Naturschutzbundes Nabu insgesamt rund 300.000 Hektar Streuobstbestände mit mehr als 6000 Obstsorten. Weitere Informationen findet man auch hier.


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