Nacktmull

Der NACKTMULL ist ein mausähnliches Nagetier, das in den Halbwüsten Ostafrikas heimisch ist – vorzugsweise in riesigen unterirdischen Bauten. Ein Novum innerhalb der Säugetiere ist ihr Leben in großen, bienenstockartigen Kolonien, die von einer „Mauskönigin“ angeführt werden. Nacktmulle können fünf bis 15 Zentimeter lang werden und wiegen 30 bis 50 Gramm. Ihre spärliche bis nicht vorhandene Behaarung ist vermutlich eine Folge der Anpassung an ihre unterirdischen Behausungen. Im Gesicht, vor allem an den Augenlidern und um den Mund, aber auch an den Beinen haben sie Tasthaare. Die Augen sind klein und ihre optische Wahrnehmung ist gering, was wohl ebenfalls auf das Höhlenleben zurückzuführen ist. Nacktmulle trinken nicht. Flüssigkeit nehmen sie nur über die Nahrung auf, die hauptsächlich aus fasrigen Pflanzenknollen besteht. Ihre Lebenserwartung ist enorm: weit über 15 Jahre, sogar Tiere mit mehr als 28 Jahren sind schon nachgewiesen worden. Sie gelten als die langlebigsten Nager der Welt.

Die Königin einer Nacktmull-Kolonie kann bis ins hohe Alter Nachwuchs bekommen. Der Grund: Im Unterschied zu Menschen und anderen Säugetieren sind Nackmulle wahrscheinlich in der Lage, ihr ganzes leben lang Eizellen zu produzieren, wie Wissenschaftler um Miguel Brieño-Enríquez von der Pittsburgh School of Medicine am 21. Februar 2023 im Fachjournal „Nature Communications“ berichten.

Immer wieder versuchen Forscher mit ihrer Hilfe herauszufinden, was einen Organismus bis ins hohe Alter fit und gesund hält – bislang vor allem über Genanalysen. Nun gibt es eine weitere Erklärung: Die Sozialstruktur des Nacktmulls könnte maßgeblich zu seinem langen Leben beitragen, berichten Forscher im Januar 2015 im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B. „Wir gehen davon aus, dass Langlebigkeit im Zusammenhang mit dem Leben im Staat entsteht“, schreiben die Forscher nach der Auswertung ihrer Daten. Der Schutz vor Feinden in einem extrem gesicherten Bau und die Unterstützung bei der Nahrungssuche durch Artgenossen mache es erst möglich, dass sich der Körper evolutionär an ein langes Leben anpassen kann, so die Begründung. Sandgräber, zu denen auch der Nacktmull gehört, sind die einzige Säugetierfamilie, von der einzelne Arten in Staaten leben. Dieses sogenannte eusoziale Verhalten kennt man vor allem von Insekten wie Bienen oder Ameisen. Aber auch die unter der Erde lebenden Nacktmulle setzen auf strikte Arbeitsteilung: Fortpflanzen kann sich nur die Königin mit ausgewählten Männchen, „Arbeiter“ sind dazu da, unterirdische Gänge zu graben, „Soldaten“ bewachen sie. Kommuniziert wird mit 18 verschiedenen Lauten, die wie Vogelgezwitscher klingen. Das führt zur zweiten vermuteten Ursache des langen Nager-Lebens: Weil das Luftholen beim Leben unter Tage schwerfällt, kann das Tier besonders effektiv Sauerstoff verwerten. Noch dazu atmen Nacktmulle sehr langsam, um den Sauerstoff lange im Körper zu halten.

Wie Forscher vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin und der Universität von Pretoria in Südafrika im Fachmagazin „Science“ vom 29. Januar 2021 berichten, sind Nacktmulle ausgesprochen kommunikative Wesen. Jede Kolonie verfügt über einen eigenen Dialekt, über den sie sich von anderen Kolonien abgrenzt und den Zusammenhalt der eigenen Gruppe stärkt. Insgesamt sind mindestens 17 unterschiedliche Laute von Nacktmullen bekannt.


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