Ökosystem Mangrovenwälder – „Kinderstube“ des Meeres

MANGROVENWÄLDER sind ein sensibles Ökosystem in den Küstenbereichen, wo sich Meerwasser mit Süßwasser mischt. Sie stabilisieren die Küste und verhindern Erosion und Überschwemmungen, und sie bilden einen wichtigen Lebensraum für eine Vielzahl von Lebewesen unter und über Wasser: Reptilien, Wasservögel, Säugetiere, Muscheln, Krabben und Fische. Mangrovenwälder setzen sich aus immergrünen salzresistenten Sträuchern und Bäumen zusammen, die zu unterschiedlichen Pflanzenfamilien gehören. Allen Arten ist jedoch gemeinsam, dass sie an die extremen Lebensbedingungen im Gezeitenbereich durch die Entwicklung spezieller Strukturen und physiologischer Prozesse angepasst sind. Neben Korallenriffen und den tropischen Regenwäldern zählen Mangrovenwälder zu den bioaktivsten Regionen der Welt. Wo sie intakt sind, leuchtet der Boden tiefbraun und fettig und ist voll von nährstoffreichen Ablagerungen, von denen sich der Laich und die Jungtiere zahlreicher Organismen ernähren, bevor sie aufs offene Meer ziehen. In den Kronen des Mangrovenwaldes leben Reptilien und Säugetiere. Viele Wasservögel nutzen das reiche Nahrungsangebot und nisten in den Baumkronen. Das dichte Wurzelwerk der Mangroven bietet einer großen Zahl von Organismen auf engem Raum eine hohe Zahl kleinster Habitate. Die mit 10.000 Quadratkilometern größten Mangrovenwälder der Welt vor der Küste von Bangladesch sind die Heimat Hunderter bedrohter Arten, darunter Tiger, Delfine, Schlangen, Krokodile und Vögel.

Mangrovenwälder entlang tropischer Küsten können riesige Mengen Treibhausgas speichern, folgern Forscher um Daniel C. Donato vom US-amerikanischen Forest Service (USDA) auf Hawaii in ihrer Studie, die sie in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht haben. Der Kohlenstoff findet sich nicht nur in den Bäumen, sondern zum Großteil im überschwemmten Boden bis in drei Meter Tiefe. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam, das 25 Mangrovenwälder im indo-pazifischen Raum untersucht hat. Bis zu 98 Prozent der Speicherkapazität geht auf organisches Material im Boden zurück, folgern die Forscher in ihrer Studie. Die weltweit etwa 15 Millionen Hektar Mangrovenwälder zählen zu den kohlenstoffreichsten Wäldern in den Tropen. Die größten Mangrovenwälder der Erde sind die Sundarbans (wörtlich „schöner Wald“). Sie verbinden den indischen Bundesstaat Westbangalen mit Bangladesch und umfassen ein Gebiet von etwa 10.000 Quadratkilometern.

Mangroven fungieren als natürliche Wellenbrecher und sind ein höchst wirksamer Schutz vor Überschwemmungen. Laut der Studie The Global Value of Mangroves for Risk Reduction and Resilience kann ein Mangrovenwald von 500 Metern Breite Wellenhöhen um 50 bis 100 Prozent senken.

Uralte, abgestorbene Mangrovenwälder können vor zerstörerischen Erdbebenwellen schützen. Zu diesem Ergebnis kamen französische Forscher, die auf der Karibikinsel Guadeloupe die Wirkung von Erdbeben analysiert haben (ihre Studie wurde im Jahr 2011 im Fachblatt „Bulletin of Seismological Society of America“ veröffentlicht). Sie bohrten an mehreren Stellen bis in 40 Meter Tiefe. Mit Sensoren ermittelten sie die Ausbreitung von Bebenwellen und stellten fest, dass diese durch eine Schicht abgestorbener Mangrovenwälder effizient gedämpft wurden.

Zwischen 1980 und 2005 sind weltweit 20 Prozent der Mangrovenwälder durch menschliche Eingriffe zerstört worden, mehr als die Hälfte davon (52 Prozent) wegen der Errichtung von Aquakulturen. Allein auf den Philippinen sind wegen Shrimpsfarmen zwei Drittel der Mangrovenwälder abgeholzt worden.

„Das Ökosystem der Mangroven-Wälder ist ein ungemein wertvoller Lebensraum für unseren Planeten. Ohne Mangroven sind die Küsten Stürmen ungeschützt ausgesetzt – und damit katastrophalen Überschwemmungen und Stranderosion in gigantischem Ausmaß. Dennoch werden immer noch jedes Jahr gigantische Flächen Mangrovenwald gerodet, um Platz für Siedlungen, Plantagen und Fischzucht zu schaffen. Wenn wir diese einzigartigen Lebensräume nicht bewahren, wird der Schaden für unseren Planeten irreparabel sein.“ (Zum Film „Wurzeln des Lebens: Magische Mangrove„, Regie: Barend Van Der Watt, 2023, auf arte)


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