Lebensraum Korallenriff I – Regenwälder der Meere, farbenprächtigste Ökosysteme der Erde

Korallen sind keine Pflanzen, wie oft angenommen wird, sondern kleine Weichtiere. Sie geben Kalziumkarbonat ab und bilden auf diese Weise ein schützendes Skelett um sich, das stetig wächst. Durch eine Symbiose mit Algen, die in ihrem Gewebe leben, können sie beeindruckende Farben annehmen. Die Algen versorgen die Korallen mit Sauerstoff und Energie, die sie durch Photosynthese erzeugen. Im Gegenzug liefert die Koralle der Alge Stoffwechselabfälle und düngt sie damit. Korallen kommen ausschließlich im Meer vor. Im Hinblick auf die Wuchsform unterscheidet man zwischen Weichkorallen und Steinkorallen, wobei letztere durch Einlagerungen von Kalk Skelette bilden, durch die Korallenbänke oder ein KORALLENRIFF entstehen, da totes Skelettmaterial fortwährend von lebendigem Gewebe überwuchert wird. Die Einzelskelette sind in der Regel pflanzenartig verzweigt und an den Zweigenden, den Wachstumsspitzen, befinden sich oft farbenprächtige Polypen, die darüber hinaus den Eindruck vermitteln, Korallen seien unterseeische Blütenpflanzen. Korallen sind eine einzigartige Spezies auf der Welt und unterscheiden sich von jedem anderen Organismus, weil sie sich auf unterschiedliche Arten fortpflanzen können, sexuell und asexuell. Bei der ungeschlechtlichen Vermehrung lösen sich Fragmente vom Riff und siedeln sich ein Stück entfernt wieder am Felsen an, wo sie eine neue Kolonie bilden.

Schon Charles Darwin, Begründer der Evolutionstheorie, war fasziniert von den Bauwerken aus Kalk-Skeletten. Sie „nehmen sicherlich eine hohe Stellung unter den wunderschönen Gegenständen der Welt ein“, schrieb der Forscher.

Korallenriffe gelten als die größten Lebensräume unseres Planeten – sie bedecken 600.000 Quadratkilometer in den Meeren – und zählen zu den artenreichsten (daher werden sie auch „Regenwald der Meere“ genannt) und am dichtesten besiedelten Ökosystemen der Erde. Sie beherbergen bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten, etwa ein Viertel aller Meerestierarten findet hier ihren Lebensraum, obwohl Korallenriffe nur 0,1 Prozent des Meeresbodens bedecken. Überdies „fungieren sie als Unterwasser-Wellenbrecher, sodass nur ein winziger Teil der Wellenenergie die Küste erreicht“, erklärt Michael Beck von der US-Umweltorganisation ‚Nature Conservancy‘. Wie stark die Wirkung ist, hat Beck in einer Studie ausgerechnet: Korallenriffe reduzieren die Energie von Flutwellen um bis zu 97 Prozent und deren Höhe um bis zu 70 Prozent.

Riffbildende Korallen aus tropischen Korallenriffen können nur bei Wassertemperaturen überleben, die 20 Grad Celsius nur sehr selten unterschreiten. Aus diesen Gründen beschränken sich tropische Korallenriffe auf einen Bereich ungefähr zwischen 30° nördlicher und 30° südlicher Breite. Die größte Bedrohung dieser Riffe stellt die Klimaveränderung dar. Wird eine bestimmte Temperaturschwelle überschritten, droht ein Absterben eines Großteils dieser wichtigen Ökosysteme. Schon für die inzwischen praktisch unvermeidliche Erwärmung um 1,5 Grad erwartet der Weltklimarat IPCC, dass 70 bis 90 Prozent der Korallen verloren gehen, bei zwei Grad wären es danach sogar 99 Prozent. Das heißt: Nur noch angepasste Restbestände könnten sich halten.

Korallenriffe gelten als äußerst empfindliche Ökosysteme, bei denen jede Veränderung unvorhersehbare Schäden anrichten kann. Korallen können beispielsweise nur in einem klaren, sonnendurchfluteten Gewässer mit sehr eingeschränktem Temperaturbereich (etwa zwischen 18 und 30 Grad Celsius) wachsen und überleben. Eine Erhöhung der Wassertemperatur führt unweigerlich zum Absterben der sogenannten Zooxanthellen, dem lebensnotwendigen Algenbewuchs der Korallen. Dieser ist auf symbiotischer Basis nicht nur für die Versorgung mit Nährstoffen, sondern auch für die Farbgebung der Koralle zuständig. Doch wenn die Temperatur des Wassers steigt, produzieren die Algen einen Stoff, der giftig für die Korallen ist. Also stoßen sie die Algen ab, um sich selbst zu schützen. Der Korallenstock verbleicht, und das weiße Kalkgerüst wird sichtbar. Hält dieser Zustand über längere Zeit an, weil die Algen etwa wegen hoher Wassertemperaturen nicht mehr nachwachsen, gehen die Korallen an Nährstoffmangel zugrunde.

Wie ernst die Situation der Korallenriffe schon heute ist, zeigte eine im Oktober 2021 veröffentlichte Studie. Diese analysierte die Gesundheit von Korallenriffen und kam zu dem Schluss, dass 14 Prozent der Riffe weltweit in weniger als einem Jahrzehnt verloren gegangen sind. Die meisten Korallen waren dabei Bleichereignissen zum Opfer gefallen.

Die meisten großen Korallenriffe der Welt werden künftig regelmäßig eine Korallenbleiche erleiden, warnte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) am 5. Januar 2017 in Sydney (Australien). Sollte sich der Treibhausgasausstoß ungehindert fortsetzen, könne sich das Ausbleichen sogar jedes Jahr wiederholen). Global gesehen ist das Risiko einer Korallenbleiche zwischen 1980 und 2016 jedes Jahr um knapp vier Prozent gestiegen, das Risiko einer schwerwiegenden Bleiche sogar um 4,3 Prozent, schreiben Forscher von der James Cook University in Townsville (Australien) im Fachmagazin «Science« vom 5. Januar 2018. – Der steigende Säuregehalt in den Weltmeeren wird zu einer immer größeren Gefahr für die kalkhaltigen Korallenriffe. Insgesamt bildeten sie schon heute deutlich weniger Kalk als vor der Industrialisierung, schreiben Forscher aus den USA und Australien zu Modellrechnungen, die sie am 22. Februar 2018 im Fachjournal «Science» vorstellen. Etwa 2050 könne das Meer so sauer sein, dass die Mehrzahl der kalkhaltigen Bodensedimente in der Nähe der Korallenstöcke damit beginnen, sich aufzulösen. Vier der 22 analysierten Riffe lebten bereits unter diesen Bedingungen. Grund für den steigenden Säuregehalt ist das klimaschädliche Kohlendioxid in der Luft, das sich im Wasser löst.

Japans größtes Korallenriff ist in Folge von Ausbleichung weitgehend abgestorben. Wie „Tokyo Shimbun“ im Januar 2017 berichtete, sind etwa 70 Prozent der Korallen in der zur südlichsten Inselprovinz Okinawa zählenden Region Sekiseishoko betroffen. Vor allem wegen steigender Wassertemperaturen habe sich die Ausbleichung der Korallenstöcke beschleunigt.

„Wenn wir in die tropischen und subtropischen Meere eindringen, begegnen wir den Korallenbänken, denen die gleiche Bedeutung der Urwälder der Erde zukommt, denn sie beherbergen etwa eine Million Arten, darunter Fische, Krabben, Mollusken, Schwämme, Algen und andere. Viele der Korallenbänke der Welt sind heute schon steril oder befinden sich in einem fortwährenden Stadium des Niedergangs: ‚Wer hat die wunderbare Meereswelt in leb- und farblose Unterwasser-Friedhöfe verwandelt?‘ [Konferenz der Katholischen Bischöfe der Philippinen, Hirtenbrief What is Happening to our Beautiful Land? vom 29. Januar 1988].“ (Papst Franziskus, Laudato si‘. Enzyklika. Gelobt seist du, mein Herr, 2015, Nr. 41)

Jedes Jahr treffen sich Wissenschaftler*innen zu einem Internationalen Korallenriff-Symposion (ICRS), zuletzt vom 4. bis 8. Juli 2022 in Bremen.

 

Die Korallenschutzorganisation „The Coral Gardeners“ engagiert sich für den Schutz der Meere und die Wiederherstellung der Korallenriffe. Die Gruppe, die heute von Aktivist:innen, Forschenden, Ingenieur:innen und Unternehmer:innen unterstützt wird, versucht öffentliches Bewusstsein für die Probleme der Korallen zu schaffen und fördert wissenschaftliche Innovationen.


RSS