Kirschblüte

Ein leichter Wind strich durch den Baum und ließ die weißen Blütenblätter langsam umherwirbeln…
„Wie die Tage unseres Lebens fliegt die Blüte des Kirschbaums“, sagte Ashiko leise. „Es ist ein vergänglicher, wunderbarer Moment. Spürst du nicht die Gegenwart des Göttlichen? Die Blüte erblüht, sie strahlt in ihrem Weiß, und einen Augenblick später gibt es sie schon nicht mehr. Blütenblatt für Blütenblatt stirbt ab, und der Wind verstreut sie genau wie uns.“
“Man muss die Gegenwart lieben“, flüsterte sie.“ Versenk dich in die Pracht der Blüten, Theo…“
Aus: Catherine Clément, Theos Reise. Roman über die Religionen der Welt, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998, S. 395

Die KIRSCHBLÜTE (japanisch sakura) ist eines der wichtigsten Symbole der japanischen Kultur. Sie steht für die Wiedergeburt des Lebens, aber auch für dessen Kürze und Zerbrechlichkeit. Die Zeit der Kirschblüte, die zwischen Ende März und Anfang Mai von Süden nach Norden durch das Inselreich „wandert“, markiert einen Höhepunkt im japanischen Kalender und den Anfang des Frühlings. Mit „Kirschblütenfesten“ (Hanami) wird die Schönheit der in Blüten stehenden Kirschbäume gefeiert (hanami oder ehrerbietig o-hanami bedeutet „Blüten schauen“). Die Tradition geht wohl auf eine Zeit zurück, in der man in Japan nur Wildkirschen kannte, die im Frühjahr über die dunklen Nadelwälder einen hellen Schleier breiteten. An dem frühen oder späten Fallen der Blütenblätter erkannten die Bauern, ob sie eine schlechte oder eine gute Ernte haben werden. „Unter den weißen Kirschblüten werden alle Menschen zu Brüdern“, lautet ein traditionelles japanisches Sprichwort.

Als Zeichen der Freude über das Ende der deutschen Teilung schenkte Japan der deutschen Hauptstadt einst 2000 Kirschbäume. Die Hälfte wurde an der Kirchblütenallee in Lichterfelde/Teltow gepflanzt. Hier sorgen die Bäume im Frühling für eine traumhafte Kulisse – dort, wo einmal der Todesstreifen verlief.

„Nördlich von Tokio, in Hokuto, eingeschmiegt in eine Hügellandschaft liegt der Tempel Jisso-ji, in dessen Garten ein Juwel der Natur steht: ein mehr als tausendjähriger Kirschbaum, der älteste des Landes. Jährlich pilgern Millionen Japaner hierher, um die Blüte des Baumriesen als Beweis für seine Unsterblichkeit zu bewundern. Die Blüte dauert im Durchschnitt nur eine Woche. Der Name des Kirschbaums Yamataka Jindai Sakura bedeutet, dass er seit der Epoche der Götter existiert; die Gläubigen sind überzeugt, dass in dem Baum eine Gottheit wohnt. Der Kirschbaum wurde am 12. Oktober 1922 zu einem der ersten Naturdenkmäler Japans ernannt.“ (Zum Film „Ein Traum von Baum“ auf arte)

„Wenn du etwas über den Kirschbaum wissen willst, geh zum Kirschbaum.“
Matsuo Bashō (1644–1694, japanischer Dichter)


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