Frühling

Die Jahreszeiten sind der geheime Motor allen Lebens auf der Erde. Seit Ende der Eiszeit prägen sie den Rhythmus der Natur. Menschen, Tiere und Pflanzen richten sich nach ihnen.

FRÜHLING – nüchterne Betrachtungsweise: Tag- und Nachtgleiche, Deklination der Sonne (= einer der beiden Koordinaten am Himmel) hat den Wert 00 und nimmt positive Werte an, das heißt, die Sonne überquert den Himmelsäquator in Richtung Norden. Etwas weniger nüchtern: Blickt man am Nachmittag im Garten nach unten, sieht man einen Krokus, schaut man nach Einbruch der Dunkelheit nach oben, sieht man den Löwen: Es ist Frühling!

Der Frühlingsanfang erinnert an den Ablauf der Jahreszeiten. Man mag dies manchmal als störend empfinden (zum Beispiel beim Schneeräumen im Winter), insgesamt ist dies jedoch bedeutsam für das Leben auf unserer Erde. Den präzisen Ablauf der Jahreszeiten verdanken wir der Tatsache, dass unser Mond die Stellung der Erdachse im Raum (Neigung gegen die Bahnebene: etwa 23º) enorm stabilisiert – ohne den Mond würde die Achse ständig taumeln, die Entwicklung des Lebens wäre wohl nicht so verlaufen, wie wir es jetzt wahrnehmen. Der Mond bewirkt die Gezeiten – der Wechsel des Wasserstands hat die Evolution, den Übergang vom Leben im Wasser auf das Festland erst ermöglicht. Wenn die Erdachse senkrecht auf der Bahnebene stehen würde, gäbe es keine Jahreszeiten – also auch keinen Frühling –, aber gerade die Abfolge der Jahreszeiten hält das Leben in Gang. Auch der Wert der Neigung (23º) ist für die richtige „Dosierung“ verantwortlich. Mit schlauen Computerprogrammen kann man auch die Auswirkung von anderen Neigungen simulieren und die Auswirkung auf die Lebensbedingungen studieren – wir können geradezu dankbar sein, dass die Neigung genau den „richtigen“ Wert hat.

Text: Rupert Schlösinger

Wenn die Vögel anfangen, ihre Nester zu bauen, ist das ein so untrügliches Zeichen für den Frühlingsbeginn wie die ersten zarten Blätter an den Bäumen. Wie eine am 24. März 2022 im Fachmagazin „Journal of Animal Ecology“ veröffentlichte Studie zeigt, brüten viele Vögel allerdings heute früher als noch vor hundert Jahren. Die Forschenden sehen darin eine Folge der Klimaveränderung, die dazu geführt hat, dass viele Pflanzen früher blühen und entsprechend früher als noch vor Jahrzehnten Insekten anziehen, von denen sich diese Vögel ernähren. Der Frühling beginnt auf der Nordhalbkugel immer früher, und zwar vor allem in der Polarregion. In der Arktis starte das Frühjahr heute bis zu 16 Tagen früher als noch vor zehn Jahren, berichteten US-Forscher im Jahr 2018 im Fachmagazin „Scientific Reports“. Auslöser für den Trend sei vermutlich die Temperatur, die im hohen Norden stärker ansteige als in niedrigeren Breitengraden. Die Forscher fürchten, dass die Veränderungen wandernde Tierarten beeinträchtigten – etwa Zugvögel, die zum Brüten in die Arktis kommen. Es gebe bereits einzelne Studien, die gezeigt haben, dass die Natur zunehmend früher aus dem Winterschlaf erwacht, schrieben die Forscher um Eric Post von der University of California in Davis. Eine solche Entwicklung ist auch in Deutschland feststellbar. „Seit etwa Ende der 1980er Jahre beobachten wir, dass der Frühling deutlich früher beginnt“, sagt Anja Engels vom Deutschen Wetterdienst.


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