Dunkelheit

Wie die meisten anderen Lebewesen brauchen auch wir Menschen die DUNKELHEIT. Der regelmäßige Wechsel von Wachsein und Schlafen – unser täglicher Lebensrhythmus – ist nichts anderes als der hormonelle Ausdruck der regelmäßig wechselnden Lichtverhältnisse auf der Erde. Dieser Rhythmus ist für unser biologisches Dasein von grundlegender Bedeutung. Ihn ändern zu wollen würde einer Manipulation der Schwerkraft gleichkommen.

Seit etwa hundert Jahren machen wir einen gewaltigen Selbstversuch mit ungewissem Ausgang. Wir nehmen Einfluss auf die Helligkeit um uns herum. Auffälliger sind die Auswirkungen gewiss bei weniger anpassungsfähigen Lebewesen – aber auch von uns dürfte die Lichtverschmutzung einen Tribut fordern. Wir haben uns vom ureigenen entwicklungsgeschichtlichen Erbe abgeschnitten. Die Lichtverschmutzung hat überdies zur Folge, dass wir in einem sehr realen Sinn den Blick für unseren Platz im Universum zu verlieren drohen – und für die wahre Größe unseres Daseins, die sich am besten an den Maßstäben der Nacht bemisst. An der Milchstraße, die sich hoch über unseren Köpfen wölbt.

Verlyn Klinkenborg (National Geographic Deutschland)


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