Kapitel 41

RICHTIG LEBEN – HIER UND JETZT

DIE WELT-RELIGION JESU

BASISKURS BASILEIOLOGIE

 

Folgerungen, Konkretionen, Vertiefungen:

Ein anderes Leben ist möglich

 

„Bist du glücklich, Kind?“
Glücklich? Sie fühlte, dass sie lebte wie nie vorher.

Christa Wolf, Der geteilte Himmel. Erzählung (1963)

 

Es gibt eine Alternative zu einem durchgeplanten, karriereorientierten, auf Wohlstandsmehrung ausgerichteten, zu einem oberflächlichen, zu einem fremdgesteuerten, zu einem entfremdeten Leben. Manchmal öffnet sich die Tür dazu ganz plötzlich, wenn man endlich das gefunden hat, wonach man – bewusst oder unbewusst – schon lange gesucht hat. Das andere Leben beginnt sofort, es ist durch nichts mehr aufzuhalten. Vielleicht ist es aber auch ein schrittweiser Prozess, der erst nach und nach alle Lebensbereiche erfasst.

Ausschlaggebend ist wohl immer, dass man sich umsieht, dass man wieder in Kontakt mit der Welt tritt, die einen umgibt. Anders ist der „Schatz im Acker“ nicht zu finden und nicht zu gewinnen. Womöglich ist es ja diese wiederhergestellte Verbindung, die alles verändert. Wenn mich das, was mich umgibt, wieder berührt, wenn ich durch diese Berührung auflebe, erst wirklich zu leben beginne, wenn mir aufgegangen ist, dass nur aus dieser Verbundenheit wirkliches Leben fließt, wird mein Leben in einer spezifischen Weise eben dieser Verbundenheit Ausdruck verleihen, sie mit immer neuem Leben füllen. Mein Leben will und soll jetzt Teil des großen Zusammenhangs sein und wird ihn eben mit dem bereichern, was gerade meine Funktion, mehr noch: meine Bedeutung in diesem großen Ganzen ausmacht.

Natürlich erschließen sich gewisse Grundstrukturen eines solchen Lebens im großen Zusammenhang ganz unmittelbar. Jesus hat sie klar herausgestellt: Um im Zusammenhang mit der Erde zu existieren und die Abhängigkeit von ihr nie zu vergessen, wird man nur über das verfügen wollen, was man tatsächlich braucht; weil sich wirkliches Leben im Miteinander und Füreinander vollzieht, sind Konkurrenzkampf und Karrierestreben obsolet geworden; Menschen aus dem Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt zu befreien, „Dämonen“ auszutreiben, wird immer wieder zum Gebot der Stunde.

Aber dieses Leben in Verbundenheit mit der Welt hat wohl auch noch eine ganz persönliche Seite. Erinnern wir uns: Da ereigneten sich Dinge in unserem Leben, Begegnungen, Zu-Fälle, da fügte sich etwas, bei dem wir den Eindruck hatten, es käme nicht von ungefähr, da entdeckte man etwas, für das man nur in diesem Moment offen war, das genau jetzt für mich bereitzuliegen schien. Und wir ergriffen es, konnten gar nicht anders, mussten uns nicht erst dafür entscheiden. Wir wussten, was wir zu tun haben.

Genau so wie der Mensch in dem Gleichnis. Es war der Kontakt mit der Welt, mit der Erde, der ihn den Schatz entdecken ließ. Diese Entdeckung allerdings war eine Lebenswende. Als ob er jetzt erst das Leben selbst, sein Leben gefunden oder auch: als ob es ihn gefunden hatte. Jetzt vollzog es sich, ganz und gar. Jetzt zählt nicht mehr das, was er sich selbst erworben hat, mehr noch: Er muss es aufgeben, es ist wertlos geworden, es ist der Preis für den Schatz, den er mit Freude zahlt, denn nur auf diese Weise kann er ihn gewinnen.

Der Schatz ist nichts anderes als die Teilhabe am Reich Gottes. Jetzt lebt man nicht mehr für sich selbst, auch nicht mehr dafür, selbst das göttliche Gericht zu überstehen wie wahrscheinlich Jesus vor der Entdeckung des Schatzes, der Entdeckung des Lebens selbst, das sich ganz und gar und in seiner ganzen Fülle hier und jetzt vollzieht. Und die Wiederentdeckung der Botschaft Jesu kann selbst so ein Schatz für uns sein.

Ja, ein anderes Leben ist möglich. Es kann, es will gelebt werden. Dieses Leben durchstößt den Nebel, der sich auf unsere Welt gelegt hat, es vertreibt die Schatten. Die andere Welt ist keine bloße Möglichkeit mehr, sondern sie kommt als Realität zum Vorschein. Wir leben sie: Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit. Es sind keine Träume mehr, keine Utopien, es ist kein Programm. Die Sendung läuft.

Claus Petersen

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