Zwei Zeugen des Reiches Gottes aus der „Dritten Welt“

Tissa Balasuriya +

 Am 17. Januar 2013 starb in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, 88-jährig der Oblatenpater und Sozialwissenschaftler Tissa Balasuriya, einer der führenden asiatischen Vertreter der Befreiungstheologie. Die Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ berichtete, dass er in Asien den Ruf des „großen alten Mannes der katholischen Theologie“ hatte. Er begründete die „Ökumenische Vereinigung der Dritte-Welt-Theologen“ und war auch maßgeblich im christlich-buddhistischen Dialog engagiert. Mit seiner Kirche hatte er es nicht leicht. Sie exkommunizierte ihn 1997, in der Amtszeit von Kardinal Josef Ratzinger, dem jetzigen Papst, als Leiter der römischen Glaubensbehörde,  wegen seines Buches „Maria und die menschliche Befreiung“. Diese Kirchenstrafe – die Balasuriya nie akzeptierte – musste von Rom übrigens nach scharfen Protesten der deutschen Hilfswerke „misereor“ und „missio“ und seines Ordens wieder zurückgenommen werden. 

Unser sri-lankanischer Mit-Unterzeichner Ritchie Daniel, ein ehemaliger Jesuit, kannte seinen Landsmann Balasuriya persönlich gut und ist stark geprägt von dessen Theologie und sozialem Engagement. 

Aus Balasuriyas Buch „Jesus Christus und die menschliche Befreiung“ hier ein Zitat:

Jesus lebte in einer Situation, die der unseren ähnlich ist. Die menschliche Person wurde nicht geachtet für das was sie ist, sondern nur ihrem sozialen Rang entsprechend. Die Ausbeutung von Menschen war grenzenlos. Die Armen, die Schwachen, die Unwissenden, die Frauen, die Kinder, die Zöllner und „Sünder“, sie alle wurden von den Reichen, den Mächtigen, den lokalen Eliten und von den Besatzern auf verschiedene Weise ausgebeutet. Sogar Krankheiten wurden als die Folgen der Sünde des Einzelnen oder der vorhergegangenen Generationen betrachtet. Sünde wurde als Erbe betrachtet, die bleibende Konsequenzen für die Person hatten. Daher wurden öffentliche Sünder aus der Gesellschaft ausgestoßen und mit langandauernden Strafen belegt, ehe sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen und begnadigt wurden. Jesus heilte den gelähmten Mann, den man zu ihm durch das Dach eines Hauses hinunter ließ, um zu beweisen, dass er auch Sünden vergeben konnte.

Die Schriftgelehrten hielten das für für eine Gotteslästerung, denn „wer kann Sünden vergeben außer Gott allein“. Sie beherrschten die Schwachen durch eine solche Verknüpfung von Krankheit und Sünde. Jesus befreite die Gelähmten sowohl von Sünde und Krankheit  (Mk 2, 1-12).

In einer solchen Situation tief verwurzelter Ausbeutung legte Jesus eine radikal neue Lehre vor, die durch das Zeugnis seines Lebens bestärkt wurde. Er kündigte diese als die „Königsherrschaft Gottes“ an. In heutiger Begrifflichkeit könnten wir sagen, dass er von einem neuen Menschen und einer neuen Gesellschaft sprach, von neuen menschlichen und sozialen Werten. Das war seine gute Nachricht, sein Evangelium. Er entthronte die vorherrschenden Werte von Geld, Macht, Prestige und Gruppenegoismus. An ihre Stelle setzte er das Teilen, den Dienst, die Liebe zum dem, was ein Mensch ist und eine universelle menschliche Solidarität.

Pedro Casaldáiga 85  

Am 16. Februar dieses Jahres vollendet der ehemalige Bischof  von Sao Felix do Araguaia in Brasilien sein 85. Lebensjahr. Erst am Beginn des neuen Jahres konnte er nach mehreren Wochen des „Exils“ unter Polizeischutz in sein Haus  zurückkehren: zuvor hatte er so massive Todesdrohungen bekommen, dass der Träger des Brasilianischen Menschenrechtspreises buchstäblich 1000 km entfernt von Sao Felix buchstäblich aus der Schusslinie genommen werden musste. Seine Rückkehr kommentiert er laut „Publik-Forum“ mit: … „der Kampf für das Reich Gottes geht weiter.“ 

Der gebürtige Katalane ist „einer der profiliertesten Vertreter der lateinamerikanischen Befreiungstheologie“, wie der Claretiner-Orden betont, dem er seit 1943 angehört. Erst 1968 geht er als Missionar nach Brasilien, wo er mehr als zehn Jahre lang der einzige ständig anwesende Pfarrer in einem Gebiet von 150000 qm im Norden des Bundesstaats Matto Grosso ist. 1971 wird er Bischof. Sein Amt tritt er erst  nach einer Befragung der Gläubigen und der anderen Geistlichen des Gebiets an. Den Verzicht auf die üblichen bischöflichen Amtsinsignien begründet er mit einem Gedicht:  

Deine Mitra sei der Strohhut des Sertanejo, die Sonne und das Mondlicht, der Regen und der Tau, der Blick der Armen, mit denen Du unterwegs bist und das glorreiche Antlitz Christi, des Herrn. Dein Stab sei die Wahrheit des Evangeliums und das Vertrauen, das dein Volk in Dich setzt. Dein Ring sei die Treue des Neuen Bundes des befreienden Gottes und die Treue zum Volk dieses Landes. Keinen anderen Schild wirst Du haben als die Kraft der Hoffnung und die Freiheit der Kinder Gottes und keine anderen Handschuhe wirst Du tragen als den Dienst der Liebe. 

Sein „Volk“, das sind die Kleinbauern, Tagelöhner, Siedler und Indios. Schon kurz nach Amtsantritt beschreibt er deren Lage in seinem ersten Hirtenbrief unter dem Titel „Eine Kirche in Amazonien im Konflikt mit dem Großgrundbesitz und die soziale Marginalisierung“ und macht sich damit von vornherein viele mächtige Feinde. In diesem Konflikt steht aber die Bischofskonferenz und Papst Paul VI zu ihm. Aber auch Casaldáliga gerät später ins Visier der Römischen Glaubensbehörde; 1986 kommt es zu einer Befragung durch Kardinal Ratzinger, dem damaligen Chef der Glaubensbehörde. Casaldaliga  lässt sich aber nicht einschüchtern und macht die an ihn gerichteten Fragen 1988 öffentlich (nachzulesen auf: http://www.konzilsvaeter.de/ii-vatikanisches-konzil/pedro-casaldaliga/ad-limina-besuches/index.html). 

Veit Schäfer


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