Zum 16. September 1997

Das deutsche Bündnis „erlassjahr.de“ – Entwicklung braucht Entschuldung. Für einen fairen Umgang mit verschuldeten Staaten und ein internationales Insolvenzverfahren setzt sich dafür ein, dass den Lebensbedingungen von Menschen in verschuldeten Ländern mehr Bedeutung beigemessen wird als der Rückzahlung von Staatsschulden. Das Bündnis wird von mehr als 600 Organisationen aus Kirche, Politik und Zivilgesellschaft bundesweit getragen und ist eingebunden in ein weltweites Netzwerk nationaler und regionaler Entschuldungsinitiaitiven.

Details

In der Verkündigungsbulle zum alle 25 Jahre stattfindenden „Heiligen Jahr“ hat Papst Franziskus auch die globale Verschuldung zum Thema gemacht: Er forderte von den „reicheren Nationen“, sich zu entschließen, „denjenigen Ländern die Schulden zu erlassen, die sie niemals zurückzahlen könnten“. Viele Gerechtigkeitsgruppen weltweit, religiös wie nicht-religiös, nehmen dies zum Anlass, um für ein Erlassjahr 2025 und für globale (Finanz-)Gerechtigkeit einzutreten – ganz ähnlich zur „Erlaßjahr2000“-Kampagne. Im Rahmen dieser Kampagne traten Ende der 1990er Jahre Millionen von Menschen weltweit erfolgreich für einen Schuldenerlass für die einkommensschwächsten Länder ein.

Der jährliche Schuldenreport von erlassjahr.de und Misereor analysiert die Verschuldungssituation von Ländern im Globalen Süden sowie die Rolle Deutschlands in der internationalen Entschuldungspolitik und zeigt konkrete Empfehlungen und Handlungsoptionen auf. Am 26. Mai 2025 wurde der Schuldenreport 2025 der Öffentlichkeit vorgestellt. Danach sind mehr als die Hälfte der öffentlichen Haushalte in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen durch den Schuldendienst, den sie an ausländische Gläubiger leisten müssen, hoch oder sehr hoch belastet. Zu den betroffenen Ländern zählten Staaten wie Pakistan und Kenia, die Umschuldungsverhandlungen bisher vermeiden, sowie Sri Lanka und Suriname, deren Auslandsschuldenlast trotz abgeschlossener Umschuldung weiterhin sehr hoch bleibt. Weitere 28 Länder sind hoch belastet; in 13 Ländern besteht ein latentes Belastungsrisiko. In den kommenden drei Jahren müssen die 47 sehr hoch belasteten Länder durchschnittlich mindestens 15 Prozent ihrer Staatseinnahmen für Zins- und Tilgungszahlungen an ausländische Gläubiger abführen. „Ihr fiskalpolitischer Handlungsspielraum ist dadurch massiv eingeschränkt“, beschreibt Klaus Schilder die Folgen. Der Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor erklärt: „In diesen Ländern sind etwa 231 Millionen Menschen von extremer Armut betroffen. Das sind rund 18 Prozent der Bevölkerung und damit gut doppelt so viele wie im weltweiten Durchschnitt. Das ist ein echtes Armutszeugnis im 21. Jahrhundert.“

„Die ärmsten Länder geben heute zwölf Prozent ihres Einkommens für Zinszahlungen aus – viermal so viel wie noch vor zehn Jahren“, heißt es in der UN-Mitteilung vom April 2024. 3,3 Milliarden Menschen, rund 40 Prozent der Weltbevölkerung, lebten in Ländern, in denen der Staat mehr für Zinszahlungen ausgibt als für Bildung oder Gesundheit.

Wie aus der im April 2024 veröffentlichten Studie der Heinrich-Böll-Stiftung, des Boston University Global Development Policy Center und des Centre for Sustainable Finance der SOAS University of London „Defaulting on Development and Climate. Debt Sustainability and the Race for the 2030 Agenda and Paris Agreement“ hervorgeht, wären 47 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 1,11 Milliarden Menschen durch höhere Investitionen in Klimaschutz und Entwicklung von Insolvenz bedroht wären. Weiteren 19 Ländern fehlt es an Liquidität und fiskalischem Spielraum. Ohne Kreditverbesserung oder Liquiditätshilfe sind diese Länder nicht in der Lage, die notwendigen Investitionen zu finanzieren, die nötig seien, um die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Hinter der Studie steht das Projekt „Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery“ (Schuldenerlass für einen grünen und integrativen Aufschwung).
Zins- und Tilgungszahlungen drohe vielen Ländern der Studie zufolge schon jetzt das Genick zu brechen: Die Auslandsschulden haben sich seit 2008 verdoppelt und die Schuldendienstzahlungen sind so hoch wie nie. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer kürzen wichtige Grundversorgungsleistungen und verzichten auf Investitionen, um ihre Schulden bedienen zu können.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in einem Land, das mehr für den Auslandsschuldendienst ausgibt als für Investitionen in Gesundheit oder Bildung. Auf der UN-Umweltversammlung im Februar 2024 habe der kenianische Präsident William Ruto darauf hingewiesen, dass afrikanische Länder für Kredite auf den Finanzmärkten mindestens fünfmal so viel zahlen wie Länder mit hohem Einkommen.

 

Alarmierende Zahlen

55 Prozent der Länder im Globalen Süden sind laut Schuldenreport 2024 in einer alarmierenden Verschuldungslage. In diesen Ländern leben 90 Prozent der Menschen, die von extremer Armut betroffen sind. Die Klimakrise verstärkt die Probleme zusätzlich, da Naturkatastrophen die betroffenen Staaten zusätzlich belasten und sie in eine noch tiefere Verschuldung treiben. Die Kombination aus Pandemie, Krieg und Klimakrise hat eine dauerhafte Krise geschaffen, aus der sich viele Länder nicht mehr aus eigener Kraft befreien können.

Ungerechtes globales Finanzsystem

Einkommensschwache Länder müssen viel höhere Zinsen zahlen als Deutschland, weil sie als weniger „kreditwürdig“ gelten. Und die Krisen haben die Zinsen weiter steigen lassen. Zudem werden Entwicklungsbanken, der Internationale Währungsfonds (IWF) und andere Gläubiger von Staaten des Globalen Nordens dominiert. Staaten des Globalen Südens sind an vielen Entscheidungsprozessen kaum beteiligt.

Quelle


RSS