Zum Tag gegen Lärm

Im Monat April, erstmals im Jahr 1995, wird der Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day (= Lärm-Bewusstseinstag) begangen, in Deutschland seit 1998, wo er von der Deutschen Gesellschaft für Akustik e.V. (DEGA) organisiert wird. Elementare Bausteine des Aktionstages sind die Sensibilisierung in Bezug auf die Lärmproblematik, die Verbreitung des Wissens um Ursachen und Folgen des Lärms (sozial und gesundheitlich) sowie über nachhaltige Maßnahmen zu seiner Reduzierung in den unterschiedlichen Lebensbereichen.

Details

Die NOISE-Karten der europäischen Umweltagentur (EEA) zeigen europaweit den durch Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sowie durch die Industrie verursachten Geräuschpegel.

Statistiken und Analysen rund um die wichtigsten Lärmquellen in unserem Alltag finden sich hier.

Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Internationalen Tags gegen Lärm am 28. April 2021 mitteilte, fühlten sich im Jahr 2019 rund 26 Prozent der Menschen in Deutschland in ihrem Wohnumfeld durch Lärm belästigt – sei es durch Verkehr, Nachbarschaft, Geschäfte oder Industrie. Das waren zwei Prozentpunkte weniger als im Jahr zuvor.
Den höchsten Wert innerhalb der Europäischen Union verzeichnete Malta; dort fühlten sich 28 Prozent der Bevölkerung durch Lärm belästigt. In Estland, Irland und Kroatien war der Wert mit jeweils acht Prozent am niedrigsten. Der EU-Durchschnitt lag bei 17 Prozent
Der Anteil der Menschen, die Lärmbelästigung empfinden, hängt stark von der Wohnlage ab: In größeren Städten in Deutschland fühlten sich 34 Prozent der Menschen von Lärm belästigt, in kleineren Städten und Vororten waren es 23 Prozent. In ländlichen Gebieten fühlten sich immerhin 19 Prozent der Bevölkerung von Lärm gestört.

Wie aus einem am 5. März 2020 veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervorgeht, ist mindestens jeder fünfte Europäer in seiner Umgebung gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt. Größter Lärmverursacher bleibt dabei sowohl tagsüber als auch nachts der Straßenverkehr. Schätzungsweise 113 Millionen Menschen in Europa müssten dauerhaft mit einer durch den Straßenverkehr verursachten Lärmbelastung jenseits von 55 Dezibel klarkommen. 22 Millionen seien von einem ungesund hohen Lärmpegel durch Züge, vier Millionen durch Flugzeuge und eine Million durch Industrielärm betroffen. 55 Dezibel entspricht etwa der Lautstärke eines Gesprächs. Für Millionen Europäer ist diese Geräuschkulisse in ihrer Umgebung mit Gesundheitsproblemen verbunden, die bis zum Tod führen können: Schätzungsweise 22 Millionen Menschen auf dem Kontinent fühlen sich nach EEA-Angaben von einer dauerhaft hohen Lärmbelastung in ihrer unmittelbaren Umgebung stark gestört, 6,5 Millionen leiden wegen des Lärms unter schweren Schlafstörungen. Jährlich führe langfristiger Umgebungslärm zu 12.000 vorzeitigen Todesfällen.

Ein Jahr nach dem Verbot besonders lauter Güterwagen fahren die Züge deutlich leiser durch Deutschland. Darauf hat das gemeinnützige Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene e.V. in einer Pressemitteilung vom 13. November 2021 hingewiesen.

Ein besonderes Ärgernis sind lärmende Motorräder. Mindestens ein Drittel der Fahrer schraubt die Schalldämpfer von ihren Auspuffen, was ohrenbetäubenden Krach verursacht. Ganz offenkundig fehlt es am politischen Willen, daran etwas zu ändern.

Straßenlärm kann depressiv machen. Das haben Wissenschaftlerinnen vom Zentrum für Urbane Epidemiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen bei ihrer Arbeit an der am 1. Mai 2016 veröffentlichten Heinz Nixdorf Recall Studie festgestellt. Bei dieser seit dem Jahr 2000 laufenden Langzeitstudie werden Menschen aus dem Ruhrgebiet regelmäßig untersucht und befragt.

Laut einer im April 2023 veröffentlichten Studie des Umweltbundesamtes können Lärmbelastungen durch Luft-, Straßen- und Schienenverkehr psychische und physiologische Stressreaktionen auslösen. Hier finden Sie die Themenseite „Lärm“ des Umweltbundesamtes (UBA).

Dass Menschen, die über einen längeren Zeitraum Fluglärm ausgesetzt sind, ein höheres Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, ist bereits seit einigen Jahren bekannt. Schon 2013 hatte die Arbeitsgruppe um Thomas Münzel, den Direktor der Mainzer Kardiologie, herausgefunden, dass simulierter Nachtfluglärm das Stresshormon Adrenalin erhöht, die Schlafqualität vermindert und einen Gefäßschaden auslöst. Nun haben Kardiologen der Universitätsmedizin Mainz die molekularen Mechanismen entschlüsselt, die zu einer Schädigung der Gefäße führen. „Wir glauben, dass diese Studie wirklich einen Durchbruch in der Lärmforschung darstellt“, sagte der Medizin-Professor Thomas Münzel am 17. Februar 2017 in Mainz. Man müsse damit rechnen, dass Lärm die Wirkung von Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstärke und damit die Gefäßverkalkung stimuliere.

Die Weltgesundheitsorganisation hat am 10. Oktober 2018 eine neue Lärmrichtlinie vorgestellt. Danach sollten zum Beispiel Windturbinen durchschnittlich 45 Dezibel am Tage nicht überschreiten. Für Straßen-, Schienen- und Luftverkehr empfiehlt die WHO folgende Grenzen: Für die durchschnittliche Lärmbelastung durch Straßenverkehr tagsüber nicht mehr als 53 Dezibel, bei Schienenverkehr nicht mehr als 54 Dezibel und für Flugverkehr nicht mehr als 45 Dezibel. Die nächtlichen Richtwerte sind 45 Dezibel für Straßenverkehr, 44 Dezibel für Schienen- und 40 Dezibel für Luftverkehr. Neue Richtlinien hat die WHO auch für Freizeitlärm. Dazu zählen Besuche von Nachtclubs, Kneipen, Live-Sportveranstaltungen, Fitnesskursen, Konzerten und das Hören von lauter Musik über persönliche Abhörgeräte. Die WHO empfiehlt, die Lärmbelastung im Jahresdurchschnitt von allen Quellen zusammen auf weniger als 70 Dezibel zu begrenzen, „weil Freizeitlärm oberhalb dieses Wertes mit schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen verbunden ist“. Die WHO-Richtlinien sind Empfehlungen, um Verbraucher vor Lärm zu schützen. Damit sollen Politiker Richtwerte festlegen und bauliche Maßnahmen veranlassen oder einfordern, damit die Richtwerte eingehalten werden. „Übermäßige Lärmbelastung ist mehr als ein Ärgernis, sie ist ein echtes Gesundheitsrisiko, das beispielsweise zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt“, sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.

Robert Koch hat schon vor mehr als 100 Jahren geahnt: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm bekämpfen müssen wie Pest und Cholera.“

 

Nicht nur für Menschen, sondern auch für Tiere ist Lärm eine Gefahr – an Land, in der Luft und im Wasser.

Laut einer am 11. Oktober 2019 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Seewiesen bei Starnberg stört ständiger Verkehrslärm die Entwicklung von Jungvögeln und hemmt ihr Immunsystem.

Lärm kann nicht nur Tieren, sondern indirekt auch Pflanzen schaden. Weil einige Tiere laute Gegenden meiden, verbreiten sie dort keine Pflanzensamen mehr. Manche Bäume pflanzen sich nicht mehr so gut fort, berichteten Forscher im März 2012 im Fachblatt Proceedings of the Royal Society B.

 

Literatur:

  • Kai-Ove Kessler, Die Welt ist laut. Eine Geschichte des Lärms, Rowohlt Verlag, Hamburg 2023

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