Zum Internationalen Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt

Der Internationale Tag der indigenen Bevölkerungen der Welt (International Day of the World’s Indigenous Peoples) am 9. August wurde im Dezember 1994 von der UN-Vollversammlung ausgerufen. Er soll dazu beitragen, die Rechte dieser Völker zu fördern und zu schützen. Gleichzeitig geht es darum, Wissen und Kenntnisse der Ureinwohner anzuerkennen.

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Laut Uno-Definition kennzeichnen indigene Völker überwiegend diese vier Merkmale:

  • Sie sind Nachfahren von Bevölkerungsgruppen, die in ihrer Region bereits vor deren Kolonisierung gelebt haben.
  • Sie sind Bevölkerungsgruppen oder Völker, die eigene kulturelle Besonderheiten bewahren und pflegen, die sich deutlich von der nationalen Mehrheitsgesellschaft unterscheiden; ihre Kultur und Wirtschaftsform beruht auf einer engen Beziehung zum angestammten Land.
  • Sie sind Bevölkerungsgruppen oder Völker, die sich selbst als abgegrenzte indigene Gruppe in der Gesellschaft identifizieren.
  • Sie sind Bevölkerungsgruppen oder Völker, die als Minderheit und auf Grund ihrer Abweichung von der Mehrheitsgesellschaft Erfahrungen von Diskriminierung, Unterdrückung, Enteignung, Vertreibung, Marginalisierung bis hin zu Völkermord gemacht haben.

Laut einer Information des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) leben in etwa 90 Staaten der Welt rund 5.000 indigene Völker, denen insgesamt mehr als 476 Millionen Menschen angehören. Sie stellen rund sechs Prozent der Weltbevölkerung – jedoch 19 Prozent der in Armut lebenden Menschen. Indigene Völker schützen rund 80 Prozent der weltweit verbleibenden Biodiversität.

Indigene Gruppen umfassen heute knapp 370 Millionen Menschen – gut sechs Prozent der Weltbevölkerung. Sie besiedeln weltweit eine Fläche von fast 30 Prozent der Erde. Dort befindet sich auch ein Großteil der geschützten Ökosysteme. Indigene Gruppen und traditionell wirtschaftende lokale Gemeinschaften tragen durch ihren nachhaltigen Lebensstil auf vielfältige Weise zum weltweiten Schutz der Artenvielfalt bei, etwa durch langfristiges Landmanagement, durch kontrollierten Einsatz von Feuer oder traditionellen Fischfang. Ihre Territorien gehören zu den artenreichsten der Welt. Doch das Wissen der indigenen Völker wird vielfach nicht beachtet. (U.a. aus: frings. Das Misereor-Magazin, EINS2022, S. 5)

Häufig kommt es zu Auseinandersetzungen um Landrechte (im Jahr 2020 wurden 1576 solcher Konflikte registriert). Das Land, auf dem indigene Gemeinschaften seit Jahrhunderten leben, wird manchmal dennoch vom Staat oder von Privatpersonen, die zuvor auf unterschiedlichen Wegen die offiziellen Besitzrechte an dem Land erworben haben, an Unternehmen bzw. Produzent:innen von Agrarrohstoffen verkauft.

Am 27. Juni 1989 verabschiedete die Generalversammlung (heute: Internationale Arbeitskonferenz) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) das Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern (Indigenous and Tribal Peoples Convention, ILO 169), das einzige rechtsverbindliche internationale Instrument zum Schutz der Rechte indigener Völker. Die Konvention garantiert indigenen Völkern ihre Rechte auf Erhalt der kulturellen Identität, auf Beteiligung an staatlichen Entscheidungen sowie auf Land und Ressourcen.

Details

Der Koordinationskreis ILO 169 in Deutschland ist ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Organisationen, Netzwerken und Expert:innen, die sich für die Stärkung der Rechte indigener Völker, der Menschenrechte sowie für Klimaschutz und den Schutz der Regenwälder einsetzen.

Über 100 Völker weltweit hatten nach Angaben von Survival International noch keinen Kontakt zur Außenwelt. Die Mehrheit lebt im Amazonasgebiet, vor allem in Brasilien. Dort gibt es zwischen 60 und 70 unkontaktierte Völker. Zirka 15 weitere leben in Peru und anderen südamerikanischen Ländern. Auch auf Westpapua gibt es unkontaktierte Völker, ebenso auf den Andamanen im Indischen Ozean. Dort leben die Sentinelesen, sie gelten als das isolierteste Volk überhaupt.

Survival International setzt sich für eine Welt ein, in der alle indigenen Völker als zeitgenössische Gesellschaften respektiert und ihre Menschenrechte geschützt werden. Nach eigenen Angaben ist sie die einzige Organisation, die sich weltweit ausschließlich für indigene Völker einsetzt, die ihnen hilft, ihr Leben zu verteidigen, ihr Land zu schützen und ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Im Jahr 1989 wurde Survival International dafür mit dem „Alternativen Nobelpreis” ausgezeichnet.

 

Zitate:

In diesem Sinne ist es unumgänglich, den Gemeinschaften der Ureinwohner mit ihren kulturellen Traditionen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sind nicht eine einfache Minderheit unter anderen, sie müssen vielmehr die wesentlichen Ansprechpartner werden, vor allem wenn man mit großen Projekten vordringt, die ihre Gebiete einbeziehen. Denn für sie ist das Land nicht ein Wirtschaftsgut, sondern eine Gabe Gottes und der Vorfahren, die in ihm ruhen; ein heiliger Raum, mit dem sie in Wechselbeziehung stehen müssen, um ihre Identität und ihre Werte zu erhalten. Wenn sie in ihren Territorien bleiben, sind es gerade sie, die am besten für sie sorgen. In verschiedenen Teilen der Erde stehen sie jedoch unter Druck, ihr Land aufzugeben, um es für Bergbauprojekte bzw. land- und viehwirtschaftliche Pläne frei zu lassen, die nicht auf die Schädigung der Natur und der Kultur achten.

Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“, 2015 (unter Nr. 146)

 

Es gibt einen verborgenen Gott im Himmel, im Fluss, in der Blütenkrone kurzlebiger Blumen, in den Fischen der Ströme bis hin zum Auge des Wals. Die Urvölker wissen das seit Tausenden von Jahren. Es ist kein Zufall, dass sie in allen Gegenden der Welt standzuhalten vermögen: in Amazonien, in Afrika, in Australien. Es gibt da so etwas wie einen Sinn der Geschichte. Die den Wurzeln nahen Urvölker stellen eine Reserve dar. Sie sind keineswegs in der Geschichte zurückgeblieben. Nein, sie stellen eine Reserve dar, um unsere Aufklärer zu sein und uns vor unseren Verrücktheiten zu schützen, indem sie uns die ewigen Gesetze in Erinnerung rufen.

Jean Malaurie (* 1922, bedeutender französischer Geomorphologe, Ethnologe, Arktisforscher, Autor und Dokumentarfilmer),
Zorn der Erde. Kultur und Natur der arktischen Völker müssen gerettet werden,
in: Lettre International 81, Sommer 2008, S. 24–27 (Zitat S. 26).

 

Weltweit gibt es mindestens 370 Millionen Indigene. Sie sprechen 4000 Sprachen, von den nach Angaben der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) 2680 vom Aussterben bedroht sind. Die Vereinten Nationen haben darum 2019 zum „Jahr der indigenen Sprachen“ erklärt. Diese müssten als kulturelles Erbe der Menschheit erhalten und wieder mit neuem Leben gefüllt werden, heißt es in einer Resolution der UN-Vollversammlung. Die Erklärung vom 19. Dezember 2016 wurde einstimmig von allen 193 UN-Mitgliedern angenommen. Am 28. Januar 2019 wurde das UN-Jahr offiziell eröffnet.

Der am 14. Juni 2021 veröffentlichte Bericht „The State of the Indigenous Peoples’ and Local Communities’ Lands and Territories“, eine aktuelle Studie von rund 30 Naturschützern und Naturschützerinnen, indigenen Völkern und Menschenrechtsorganisationen, zeigt, welche enorme Bedeutung indigenen und lokalen Gemeinschaften hinsichtlich des Klima- und Naturschutzes und einer nachhaltigen Entwicklung zukommt. Es handelt sich um die erste umfassende räumliche Analyse, die die Ausdehnung der Ländereien indigener und lokaler Gemeinschaften und ihren Zustand weltweit erfasst. Untersucht wurden der ökologische Zustand, die biologische Vielfalt, die ihnen erbrachten Ökosystemdienstleistungen (wie etwa saubere Luft uns sauberes Wasser, Abmilderung der Erderhitzung, Schutz vor Überschwemmungen etc.) und welchen Bedrohungen sie und die in ihnen lebenden Menschen ausgesetzt sind. Mindestens 32 Prozent (oder 43,5 Millionen Quadratkilometer) der globalen Landfläche, so stellt der Bericht fest, sind im Besitz von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften oder werden von ihnen verwaltet. Damit decken sie mindestens 36 Prozent der Flächen der wichtigsten Biodiversitäts-Hotspots mit besonders hoher Artenvielfalt ab. 91 Prozent dieser Ländereien sind in einem guten ökologischen Zustand. Mehr als ein Viertel dieser Territorien sieht der Bericht in Zukunft einem hohen Entwicklungsdruck ausgesetzt und damit in Gefahr, nachhaltig geschädigt zu werden.

Eine Übersicht über internationale Abkommen, Initiativen, Plattformen und Leitlinien zum Schutz der Rechte indigener Völker findet man hier.

 

Literatur/Medien:

 


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